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»Identität ist eine Gefühlsfrage!«


Lambertz auf der Jahrestagung der Deutschen Nationalstiftung
»Identität ist eine Gefühlsfrage!«

» Gibt es eine nationale Identität in einem zusammenwachsenden Europa? «
Mit dieser Frage hat sich letzte Woche die diesjährige Tagung der von Helmut Schmidt gegründeten Deutschen Nationalstiftung befasst. Unter den Diskutanten befand sich auch Ministerpräsident Lambertz.

Die große Ullstein-Halle des Verlagshauses Axel Springer in Berlin füllte sich allmählich.
Unter den circa 450 geladenen Gästen befanden sich zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Bundestagspräsident Norbert Lammert, Ex-Thyssen-Krupp- Chef Gerhard Cromme, Historiker Heinrich-August Winkler – um nur einige zu nennen.
Auch Alt-Bundeskanzler und Stiftungsgründer Helmut Schmidt zeigte sich in Berlin zum ersten Mal wieder öffentlich seit dem Tod seiner Gattin Loki. Bundespräsident Christian Wulff übernahm die Schirmherrschaft.

Nach einer kurzen Einleitung des Aufsichtsratsvorsitzenden des Axel-Springer-Verlags Giuseppe Vita und des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Nationalstiftung Richard Schröder erörterte Bundestagspräsident Lammert in seiner Einführungsrede, ob es eine nationale Identität in einem institutionell und kulturell zusammenwachsenden Europa gibt. Der Christdemokrat warnte in seiner Rede vor einer Ablehnung der nationalen Identität, denn » auch wenn die Rolle Europas sehr bedeutend ist, so wird die Europäische Union nur begrenzt Identifikation bieten «, so Lammert.

In der anschließenden Diskussion, die vom ehemaligen Tagesthemen-Moderator und renommierten Buchautor Ulrich Wickert entsprechend moderiert wurde, tauschten auf dem Podium der Bundestagspräsident, die französische Europaabgeordnete Sylvie Goulard, die Sozialwissenschaftlerin und Publizistin Necla Kelek, der Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann und Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz über die Bedeutung einer nationalen Identität in einem vereinten Europa aus.

Die erste Frage richtete Ulrich Wickert an Karl-Heinz Lambertz und sorgte zunächst für viele neugierige Gesichter im Publikum, wollte doch der kenntnisreiche Moderator vom Ministerpräsidenten wissen, wie sich die belgische Identität definiert.

Auch wenn die Belgier keine gemeinsame Sprache sprechen, vereint das belgische Volk weit mehr als kulinarische Exportschlager wie Starkbiere, Waffeln und Pralinen. In seiner Erläuterung beschrieb der Ministerpräsident das Zusammenleben der drei Sprachgruppen. Er bezeichnete die Kompromissfähigkeit als das entscheidende
Alleinstellungsmerkmal der belgischen Identität – eine gewagte Behauptung angesichts der momentanen Differenzen zwischen Flamen und Wallonen. Lambertz gab sich jedoch zuversichtlich und lobte das belgische Miteinander als beispielhaft und zukunftsweisend für das vereinte Europa.

Im weiteren Verlauf des Abends ging der Bundestagspräsident auf den Bedarf einer Nation nach innerem Zusammenhalt ein, anders könne eine Nation keine Vielfalt ertragen. Lammert, der vor allem durch die wiederholte Forderung nach einer Leitkultur-Debatte Schlagzeilen machte, beklagte, dass die Deutschen meistens davon absehen, sich zu ihrem eigenen Land und seinen Leistungen zu bekennen.

Klaus-Dieter Lehmann fügte hinzu, dass ein Volk in einem vereinten Europa einiges aufgeben könnte, außer ihren kulturellen Wurzeln. Lambertz betonte, dass gerade regionale, kulturelle und religiöse Identitäten sogar wichtiger seien als etwa nationale; allerdings sei es sehr schwierig den Begriff der Identität genau zu definieren, denn » Identität ist keine messbare Größe, sondern eine Gefühlsfrage, die man mit der Seele eines Menschen vergleichen kann. Der Wunsch nach Schärfung nationaler oder regionaler Identität ist ein natürlicher Vorgang und ein Versuch der Verankerung in der globalisierten und entgrenzten Welt. «

Sylvie Goulard betonte hingegen die Vision der Gründerväter Aristide Briand und Robert Schuman von den Vereinigten Staaten von Europa.

Anderer Meinung schien auch Necla Kelek zu sein, die in der Frage der nationalen Identität insbesondere auf die Bürgerrechte und deren Einhaltung einging; diese gilt auch und gerade für die Zuwanderer, deshalb müsste Deutschland die Bedeutung der Bürgerrechte deutlich vermitteln, so die türkischstämmige Sozialwissenschaftlerin.

Der Ministerpräsident thematisierte ebenfalls die kollektive Identität, welche generell dadurch entstehen kann, dass Gemeinsamkeiten einer Gemeinschaft bewusst werden und diese sich von anderen abgrenzt. Identität entsteht – laut Lambertz – janusköpfig, einerseits durch eine Homogenisierung nach innen und durch eine Differenzierung nach außen. Auch die Abgrenzung ist zwiespältig und kann sich positiv ausprägen, indem man im Fremden das Gemeinsame und Ergänzende erkennt oder negativ, indem man das Fremde zum Feindbild erklärt.

Zu dieser Thematik hat Ministerpräsident Lambertz in seiner Eigenschaft als Mitglied des Kongresses der Gemeinden und Regionen beim Europarat einen Bericht verfasst, in dem ausführlich auf das Phänomen der regionalen Identitäten in Europa eingegangen wird.

PM-2010-11-23-PM 17 Jahrestagung Der Deutschen Nationalstiftung (88.4 KiB)