Parlament

Stellungnahme zur Standortmarke Ostbelgien


In der Plenarsitzung vom 29. Mai 2017 reagierte Gemeinschaftssenator Karl-Heinz Lambertz im Namen der SP-Fraktion im PDG auf die vorgelegte Regierungsmitteilung zur neuen Standortmarke Ostbelgien. Untenstehend finden Sie den Wortlaut seiner Intervention.

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen aus Regierung und Parlament!

Mit der vorgelegten Regierungsmitteilung zur Standortmarke Ostbelgien kommt die Regierung in hervorragender Weise ihrer Zielsetzung nach, transparent darzustellen, was sie tut, um unsere Heimat voranzubringen. Diese ausführliche Darstellung der verschiedenen Schritte bei der Entwicklung und bei der Umsetzung der Standortmarke erlaubt es jedem zu verstehen, was geschieht. Sie ist eine hervorragende Grundlage, um sich an dieser gemeinsamen Aufgabe der Standortentwicklung zu beteiligen.

Aus Sicht der SP-Fraktion ist das der richtige Weg. Die Intensivierung der Anstrengungen hinsichtlich der Standortentwicklung kommt zum richtigen Zeitpunkt. Die Kosten sind vertretbar und es wird ganz konsequent in Kontinuität zu Initiativen gearbeitet, die schon im letzten Jahrhundert begonnen wurden. Ich denke etwa an die richtungsweisende Arbeit Anfang der 1990er-Jahre, als auf der Grundlage der ADL-Studie für Ostbelgien die Synergien in der Wirtschaftsförderung entwickelt wurden und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) entstand.

Mit dem Namen Ostbelgien – auf Deutsch ausgesprochen, auch wenn das nicht jedem Fremdsprachler so leicht fällt – vollenden wir eine langjährige Entwicklung hinsichtlich der Offizialisierung einer Bezeichnung, die nichts Außerordentliches hat, die nicht genial ist, die aber mit Abstand die denkbar beste ist. Zumindest wurde bislang nichts Besseres gefunden. Eine ganz wesentliche Rolle spielte dabei sicherlich der Markenschutz, den wir im Jahr 2013 europaweit abgesichert haben. Damit haben wir den Rufnamen, den wir brauchen: Er ist geografisch leicht zuzuordnen, er drückt die sprachliche Dimension unserer Besonderheit aus und er ist sehr griffig ‒ nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auf keinen Fall ersetzt er jedoch unseren offiziellen Namen, der sozusagen in unserem Pass steht, denn wir waren, wir sind und wir bleiben bis auf Weiteres – und das kann noch sehr lange dauern – die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Auch darauf sollten wir stolz sein. Jeder Versuch, das Hilfsmittel „DG“ zwanghaft auszumerzen, ist zum Scheitern verurteilt, denn auch mit diesem Kürzel kann man hierzulande durchaus das eine oder andere zum Ausdruck bringen. Dieser Begriff eignet sich jedoch nicht für Marketing- und Standortkampagnen.

Ob man „die Regierung Ostbelgiens“ oder „die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft“ sagt, sollte jedem selbst überlassen bleiben. Ich bin der Meinung, dass wir manchmal gut daran tun, zum richtigen Zeitpunkt den in der Verfassung verankerten offiziellen Namen zu benutzen. Bei Anlässen, bei denen es eher um den Standort geht, sollten wir den Namen Ostbelgien benutzen. Nach meinem Dafürhalten sollten wir damit sehr pragmatisch umgehen. Wichtig ist, dass wir mit dem Namen Ostbelgien in der Lage sind, die zusätzliche Identifikation nach innen und die weitere Identifizierung nach außen zu praktizieren. Darauf kommt es in der Tat an.

Auch die Botschaft, die sich in dem Markenkern „Souverän grenzerfahren“ zusammenfassen lässt, ist nichts außergewöhnlich Neues. Sie gehörte immer schon zu uns. Zu unseren Alleinstellungsmerkmalen gehört in der Tat die Grenzlage. Wir leben an einer Sprachengrenze und an einer Staatsgrenze. Außerdem dürfen wir die innerostbelgische Grenze zwischen Norden und Süden nicht unter den Teppich kehren, wenn wir die Entwicklung Ostbelgiens richtig beurteilen wollen. Es gibt sie in der Tat, die unterschiedlichen Strukturmerkmale in diesen beiden Teilen unserer Heimat. Wenn wir daraus etwas Positives machen wollen, müssen wir die Stärken beider Seiten entwickeln und nicht so tun, als ob es die Unterschiede nicht gäbe.

Ganz wesentlich ist jedoch auch, dass mit „Ostbelgien“ der Raum identifiziert wird, in dem sich die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft entfalten kann. Deshalb finde ich es wichtig, auch diese Dynamik aufrechtzuerhalten. Ich habe es vor 26 Jahren im Rahmen eines Vortrags vor der Juniorenkammer Eupen in Bezug auf die Perspektiven der wirtschaftlichen Zukunft Ostbelgiens folgendermaßen ausgedrückt: „Die Jahrhundertchance Ostbelgiens liegt in der Drehscheibenfunktion der Deutschsprachigen Gemeinschaft begründet.“ Ja, diese Deutschsprachige Gemeinschaft war und ist die große Chance, einen Mehrwert in diesen Lebensraum hineinzubringen. Dabei waren wir immer sehr großzügig und sollten es auch bleiben. Wir denken dabei nicht nur an unsere neun Gemeinden, sondern teilen ganz gerne auch mit unseren Nachbarn die Möglichkeiten, die sich aus unserer Autonomie ergeben, um das gesamte ostbelgische Gebiet, wo immer es im Einzelnen enden mag, voranzutreiben und zu entwickeln.

Mit dieser Offensive zur Etablierung des Markennamens kommen wir jetzt einen guten Schritt weiter. Letztendlich bleibt jedoch entscheidend, welche Qualität sich hinter dieser Marke versteckt, denn es bringt nicht viel, eine gute Markenstrategie für ein schlechtes Produkt zu haben. Ein gutes Produkt kann allerdings sehr unter einer schlechten Vermarktung leiden. Wir sind meines Erachtens auf dem richtigen Weg. Beim Mobilisieren kommt es ganz entscheidend darauf an, dass alle mitmachen. Schon vor 26 Jahren habe ich dazu gesagt: „Es ist letztlich allesentscheidend, ob wir zusammenarbeiten, ob wir unsere Kräfte bündeln oder ob wir hier Grabenkämpfe, welcher Art auch immer, führen.“ Das ist damals richtig gewesen und das gilt auch heute noch. Diese Offensive rund um die Marke Ostbelgien ist eine ganz große Chance, nochmals alle Kräfte zu bündeln. Es ist sehr erfreulich zu sehen, dass die großen Anstrengungen der Regierung auf diesem Gebiet von Erfolg gekrönt sind. Es wollen viele mitmachen. Es muss keiner mitmachen, sondern es darf jeder mitmachen. Ich würde sogar sagen, es soll jeder mitmachen. Je mehr Akteure sich beteiligen, umso besser wird das Ganze werden.

Ganz entscheidend bleibt natürlich die Frage, welche Inhalte hinter dieser Marke stehen, wofür diese Marke bürgt und welches die qualitativen Alleinstellungsmerkmale unserer Region sind, die wir damit in den Vordergrund stellen können. Dabei geht es neben den inhaltlichen natürlich auch um infrastrukturelle Fragen. Was Letzteres betrifft, hat die Marke Ostbelgien sicherlich viele Pluspunkte bekommen durch die Tatsache, dass hierzulande jahrzehntelang eine sehr intensive Infrastrukturpolitik betrieben wurde. In den Bereichen, in denen wir nicht oder noch nicht zuständig sind, gibt es jedoch noch Mängel, etwa im Straßenbau oder bei der Telekommunikationsinfrastruktur.

Wir werden nicht alle Probleme allein lösen können, sondern müssen unsere ganze Kraft und unsere ganze Macht einsetzen, um die Entscheidungsträger in der Wallonie, auf der föderalen Ebene und in Europa dazu zu bewegen, mit uns gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir hier über eine Topinfrastruktur verfügen. Dass das für das Standortmarketing und die Standortentwicklung wichtig ist, kann man jeden Tag beispielsweise im Bereich des Seminartourismus erleben, für den die Instandsetzung des Klosters Heidberg außerordentlich positive Auswirkungen gehabt hat.

Es gibt eine ganze Menge Baustellen, auf denen wir die Entwicklungen weiter vorantreiben können. Es ist richtig: Nichts ist perfekt in Ostbelgien. Das Gegenteil wäre ja mehr als überraschend und wäre sozusagen ein Wunder. Wer in der Politik an Wunder glaubt, kommt meistens nicht sehr weit. Dennoch ist auch nicht alles schlecht in Ostbelgien. In den letzten Jahrzehnten ist hier vieles geleistet worden. Das REK gibt eine ganz deutliche Richtung vor. Je kleiner eine Region ist, desto wichtiger ist es, dass sie weiß, in welche Richtung sie gehen will. Im europäischen Vergleich kann schon heute festgehalten werden, dass wir zu den wenigen Regionen gehören, denen es gelingt, ein Regionales Entwicklungskonzept nicht nur zu definieren, sondern auch umzusetzen. Zwei Etappen der Umsetzung haben wir bereits in Angriff genommen und der dritte Ansatz wird zurzeit vorbereitet. Nicht von ungefähr trägt dieses REK den Titel Ostbelgien leben 2025.

Wenn es uns nun noch gelingt, weitere Projekte wie etwa die Verbesserung der Sprachen- und Medienkompetenz, die Innovations- und Kreativwirtschaft, die Energieeffizienz und die Kreislaufwirtschaft, die Sozial- und Solidarwirtschaft, die integrierte Dorfentwicklung, Kultur- und Bildungsnetzwerke, integrierte Wohnungskonzepte sowie integrierte Gesundheitsversorgungssysteme voranzutreiben, dann können wir meines Erachtens gewiss sein, dass unsere großen Anstrengungen im Hinblick auf die Markenentwicklung auch inhaltlich der Sache gerecht werden und uns dabei helfen, unsere ostbelgische Heimat für die nächsten Jahrzehnte zukunftstüchtig zu machen und die Lebensqualität der hier lebenden Menschen bedeutend zu verbessern.

 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!