Trauerrede von Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, anlässlich des Traueraktes im PDG zum Gedenken an den verstorbenen Parlamentspräsidenten Ferdel Schröder
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Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Familienangehörige unseres verstorbenen Präsidenten Ferdel Schröder,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
zum zweiten Male in der fast vierzigjährigen Geschichte unseres Parlamentes findet heute ein Trauerakt zur Würdigung eines Präsidenten dieses Hauses statt, der uns während seiner Amtszeit auf dem Höhepunkt seines politischen Wirkens verlassen hat. Wie 1985 Manfred Betsch war es auch Ferdel Schröder nicht vergönnt, all das zu vollenden und zu einem guten Ende zu bringen, was er sich für seine Amtszeit vorgenommen und in seiner Antrittsrede vom 1. Februar 2010 angekündigt hatte.
Damals sagte er: „Das Mandat als Präsident dieses Parlamentes betrachte ich als die größte Herausforderung in meinem politischen Werdegang.“ Dieser Herausforderung hat sich Ferdel Schröder erfolgreich auf seine ganz persönliche Art – mit Gelassenheit und Leidenschaft, wie es zutreffend anlässlich des Begräbnisses formuliert wurde – und bis zuletzt mit ganzer Kraft gestellt.
Niemals werde ich das Gespräch vergessen, das ich am 27. Dezember vergangenen Jahres mit ihm geführt habe. Obschon er sich der Lebensgefahr, in der er sich befand, durchaus bewusst war und diese auch offen ansprach, legte er großen Wert darauf, das Gespräch immer wieder auf Fragen der politischen Zukunftsgestaltung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu lenken und seine Vorstellungen engagiert darzulegen, genau so wie er es in allen früheren Gesprächen getan hat, die wir diesbezüglich geführt haben. Das hat mich zutiefst beeindruckt und bewegt mich auch heute noch. Ganz konkret haben wir über die Staatsreform und ihre umfangreichen Folgen für die DG, über den Umzug ins Sanatorium und über die Gestaltung der anstehenden Jubiläen gesprochen. Was er mir dazu gesagt hat, betrachte ich als sein Vermächtnis und als Auftrag, den wir alle gemeinsam so ausführen sollten, wie er sich es gewünscht hat.
Ferdel Schröder war tief in seiner ostbelgischen Heimat verwurzelt. Wie oft mag er es wohl musikalisch begleitet haben, dieses bekannte Lied seiner Löressen: „Deutsch-Ostbelgien unser Heimatland? Er, der Eupener mit Eifeler Wurzeln, der es in Eupen 1995 zum Schöffen und in St. Vith bereits 1980 im Hofstab des Karnevalsprinzen, seines Freundes Joseph Hammerschmidt, zum Flügeladjutant Ferdel Graf Schmaubär von Psycho gebracht hatte. Diese Verwurzelung war ihm ein Leben lang sehr wichtig. Sie diente ihm als unversiegbare Quelle der Lebenskraft und Inspiration. Sie verlieh ihm Bodenhaftung und sie begründete auch seinen unerschütterlichen Glauben an den Mehrwert der Gemeinschaftsautonomie.
Dieser Glaube hatte aber auch noch einen anderen Grund. Sein Jahrzehnte langes Wirken als Leiter des staatlichen PMS-Zentrums hatte Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts zu einem Zeitpunkt begonnen, wo es noch keine DG gab und alles in Brüssel entschieden wurde. Ferdel Schröder hat konkret erleben können, wie in seinem beruflichen Tätigkeitsfeld dank der Gemeinschaftsautonomie zunehmend neue Möglichkeiten zur maßgeschneiderten Gestaltung des Unterrichtswesens sowie zu bislang fehlenden Synergien mit der Jugendhilfe, der Behindertenbetreuung oder dem Gesundheitswesen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Wirklichkeit wurden.
Ferdel Schröder hat dies nicht nur erlebt, er hat aktiv mitgestaltet, Konzepte entworfen und umgesetzt. Dass die erste Anlaufstelle der Frühhilfe seinerzeit in den Räumen des Eupener PMS-Zentrums eingerichtet wurde, mag aus heutiger Sicht banal erscheinen. Damals war es keineswegs selbstverständlich, sondern ein starkes Signal. Und es ist keinesfalls ein Zufall, dass Ferdel Schröder sich intensiv um die Zusammenarbeit zwischen den hiesigen PMS-Zentren gekümmert, wichtige Weichen in der Berufsberatung gestellt und sich aus voller Überzeugung für die Schaffung eines integrierten Dienstes zur Kinder- und Jugendbetreuung eingesetzt hat, so wie es im Regionalen Entwicklungskonzept vorgesehen ist und zurzeit vorbereitet wird.
Genauso wie er vom Mehrwert der Gemeinschaftsautonomie überzeugt war, hatte Ferdel Schröder klar erkannt, dass diese weiter ausgebaut werden und mittelfristig zur Schaffung eines gleichberechtigten Gliedstaates führen muss, der mit angemessenen Finanzmitteln oder Finanzierungsmöglichkeiten alle Zuständigkeiten wahrnimmt, die im belgischen Bundesstaatsmodell der gliedstaatlichen Ebene zugeordnet sind.
Ferdel Schröder hat nicht nur wesentlich zum Zustandekommen der diesbezüglichen Parlamentsresolution vom 27. Juni 2011 beigetragen, er hat sie auch resolut und überzeugend überall dort vorgetragen und verteidigt, wo dies ihm Kraft seines Amtes möglich war.
Ein ganz besonderes Anliegen war ihm die Positionierung des Parlamentes in Sachen Außenbeziehungen. Mit großem persönlichen Einsatz und mit einer nahezu unendlichen Geduld hat er sich dafür eingesetzt, dass sich das Parlament klare Leitlinien für die Gestaltung seiner Außenbeziehungen gibt und dabei eng mit der Regierung zusammenarbeitet. Im IPR, dem Interparlamentarischen Rat der Großregion Saar-Lor-Lux, ebenso wie in der CALRE, der europäischen Vereinigung der Parlamentspräsidenten der Regionen mit Gesetzgebungshoheit, war er ein angesehenes und geschätztes Mitglied. Dies ist mir am heutigen Morgen noch in Brüssel von der aktuellen Präsidentin der Vereinigung bestätigt worden. Ferdel Schröder war zutiefst davon überzeugt, dass die kleine Deutschsprachige Gemeinschaft einen großen Bedarf an Zusammenarbeit und Vernetzung hat und er wusste genau, wie sehr erfolgreiche Zukunftsgestaltung auf gut funktionierende und vertrauensvolle Partnerschaften angewiesen ist.
Der Blick über den ostbelgischen Tellerrand war für Ferdel Schröder sehr wichtig und wurde nicht unwesentlich von einem Erlebnis aus dem Jahre 1970 geprägt. Aus Anlass des 25jährigen Bestehens der Vereinigten Nationen und auf Einladung des damaligen UNO-Generalsekretärs U Thant nahmen 750 Jugendliche unter 25 Jahren vom 9. bis 18. Juli in New York an einem Weltkongress der Jugend teil. Unter den fünf belgischen Teilnehmern befand sich neben 2 Flamen und 2 Wallonen ein Deutschsprachiger aus Sankt Vith: Ferdinand Schröder – laut Belga-Kommuniqué als Vertreter der nicht organisierten Jugend mit PFF-Tendenz, wie man im Grenz-Echo vom 9. Juli 1970 nachlesen kann. Dieser New York-Aufenthalt hat Ferdel Schröder nachhaltig geprägt. Er hat ihn immer wieder als persönliches Schlüsselerlebnis erwähnt, wenn es darum ging, die Öffnung der Deutschsprachigen Gemeinschaft nach außen zu befürworten und vor einer Abkapslung zu warnen. Bei der Wahrnehmung der Außenbeziehungen unserer Gemeinschaft hat sich Ferdel Schröder immer aus Überzeugung engagiert eingebracht. Das galt für den Empfang ausländischer Botschafter und Delegationen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ebenso wie für die Teilnahme an Veranstaltungen in Brüssel oder im Ausland. Insbesondere der kürzlichen Studienreise einer gemeinsamen Parlaments- und Regierungsdelegation in die Alpenregion nach Tirol, Liechtenstein und Südtirol hatte er eine große Bedeutung beigemessen. Er hatte sich intensiv an ihrer Vorbereitung beteiligt, musste dann aber seine Teilnahme krankheitsbedingt absagen, was er und übrigens auch die dortigen Gastgeber sehr bedauert haben.
Die Aufwertung der Parlamentsarbeit lag Ferdel Schröder ebenfalls sehr am Herzen. In seiner Rede zum Festtag der DG am 14. November 2011 hat er dazu aufgefordert, „über die zukünftige Struktur des Parlamentes in der Gemeinschaft mit erweiterten Kompetenzen nachzudenken“, und darauf hingewiesen, dass das Parlament mit seiner derzeitigen Arbeitsweise an die äußersten Grenzen des Machbaren gestoßen ist. Ferdel Schröder hat die dringend notwendige Aufwertung des Parlamentes übrigens nie mit einer Abwertung der Regierung in Verbindung gebracht. Es ging ihm um ausgewogenere Handlungsmöglichkeiten und um eine optimale Zusammenarbeit unter strikter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Aufgabenverteilung zwischen Parlament und Regierung. Sicherlich hätte Ferdel Schröder uns zu dieser Thematik in Kürze konkrete Vorschläge unterbreitet.
Werte Trauerversammlung,
Ferdel Schröder hatte noch Vieles vor – privat ebenso wie beruflich. Nach menschlichem Ermessen hat er uns viel zu früh verlassen. Sein Tod reißt eine tiefe Lücke.
Ihnen, liebe Familienangehörigen, möchte ich an dieser Stelle im Namen der Regierung nochmals unser Beileid aussprechen.
Möge die Erinnerung an einen großartigen Menschen dabei helfen, den Schmerz der Trennung zu ertragen. Denn – so stand es ausdrucksstark in der Todesanzeige – „In der Dunkelheit der Trauer leuchten die Sterne der Erinnerung“.