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Europarat befasst sich mit Minderheitensprachen und Grenzregionen


Ministerpräsident Lambertz stellt Bericht in Strassburg vor
Europarat befasst sich mit Minderheitensprachen und Grenzregionen

Als Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Bildung des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates (KGRE) stellte Ministerpräsident Lambertz zusammen mit seinem russischen Co- Berichterstatter, Farid Mukhametshin, der Regionalkammer des Kongresses vergangene Woche einen Bericht mit dem Titel „Minderheitensprachen- ein wertvolles Gut für die regionale Entwicklung“ vor.

Nach der Verabschiedung unterstrich Lambertz dessen Nutzen sowohl auf europäischer als auch auf regionaler Ebene: „Hier werden Regional- und Minderheitensprachen erstmals in dieser Form als wichtiger Entwicklungsfaktor erkannt und anerkannt. Sie spielen eine wichtige Rolle beim wirtschaftlichen Austausch, insbesondere bei der Kulturwirtschaft und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Die Entwicklung der DG zeigt, dass sich Minderheitensprachen durch Schutz und Förderung zu einem wichtigen Standortfaktor entwickeln können“.

Am Rande der Plenarsitzung unterzeichnete Ministerpräsident Lambertz einen Monat nach seiner Wahl zum Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG) ein Abkommen zwischen der AGEG und dem KGRE. Lambertz ist gleichzeitig Generalberichterstatter zum Thema Grenzüberschreitende Kooperation im KGRE und hat im Oktober einen Bericht zum Stand der Grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa vorgelegt. Er begrüßte, dass die gute Zusammenarbeit zwischen dem KGRE und der 1971 gegründeten AGEG nun einen formellen Rahmen erhielt. So sehe das Abkommen u.a. gemeinsame Arbeitssitzungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor. Als konkretes Ergebnis des Abkommens nannte der Ministerpräsident die gemeinsame Organisation einer Konferenz zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für 2011, auf der der Erfahrungsaustausch zwischen erfahrenen und ‚jungen’ Grenzregionen – gerade auch an den Außengrenzen der EU – im Mittelpunkt stehen soll.

Im Rahmen seines Strassburg-Aufenthaltes unterzeichnete Lambertz zudem ein Abkommen zwischen der AGEG und dem Euro-Institut Kehl, einem Forschungsinstitut für Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das öffentlichen und privaten Akteuren dabei hilft, das administrative, juristische und kulturelle Funktionieren des Nachbarlandes zu verstehen. Dieses gegenseitige Wissen sei für eine erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit unentbehrlich, so AGEG-Präsident Lambertz.

Zu den weiteren Themen der Plenarsitzung des KGRE zählten die Finanzkrise, die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Wahrung der Menschenrechte sowie die Folgen des Klimagipfels in Kopenhagen. Darüber hinaus wählte der Kongress seinen neuen Generalsekretär in der Person des Österreichers Andreas Kiefer.

Interview

Was genau erhoffen Sie sich von dem Bericht zu den Minderheitensprachen, den Sie in Strassburg vorgestellt haben?

Ich hoffe, dass er mit zu einem europaweiten Paradigmenwechsel mit Bezug auf Minderheitensprachen beitragen kann. Bisher wurden Diskussionen zu diesem Thema meist mit dem Schutz und Erhalt der Sprache in Verbindung gebracht. Die Erfahrungen der Deutschsprachigen Gemeinschaft und zahlreicher weiterer Regionen Europas zeigt jedoch, dass Minderheitensprachen einen wichtigen Standortfaktor für eine Region darstellen können und ein beachtliches Potenzial für die regionale Entwicklung bedeuten.

Von den 90 in Europa gesprochenen Sprachen sind 60 Minderheiten- oder Regionalsprachen. Es handelt sich also keineswegs um ein marginales Phänomen. Den Gemeinden und Regionen kommt eine wichtige Rolle beim Schutz und der Förderung von Regional- und Minderheitensprachen zu. Gerade im Bereich des Arbeitsmarktes ist Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenz ein großes Plus für Regionen mit Minderheitensprachen – auch hierfür ist die DG ein sehr gutes Beispiel

Inwiefern kann ein Bericht überhaupt zu einem Paradigmenwechsel im Bereich der Minderheitssprachen beitragen?

Die Beschlüsse und Abkommen des Europarates haben einen teils bedeutenden Einfluss auf die Mitgliedsstaaten (und darüber hinaus) – denken wir nur an die Europäische Menschenrechtskonvention.

Neben den Menschenrechten hat sich der Europarat auch dem Schutz der Minderheitenrechte verschrieben, wozu der Bericht des KGRE einen aktiven Beitrag leistet. Er beinhaltet wie üblich zwei Teildokumente. So wendet sich der Kongress über eine sogenannte Entschließung direkt an die Gemeinden und Regionen. Daneben richtet er eine Empfehlung an die 47 Mitgliedstaaten des Europarates. Der Ministerrat leitet diese an die Nationalstaaten weiter und berichtet anschließend über die Umsetzung.
Somit wird auf höchster Ebene eine Art gegenseitige moralische Kontrolle ausgeübt, deren Einfluss nicht zu unterschätzen ist – schließlich möchte sich kein Staat gerne vorwerfen lassen, dass er nicht genug für seine nationalen Minderheiten unternimmt.

Sie engagieren sich als Vertreter der winzigen DG in der wohl größten internationalen Organisation Europas – Ist das nicht etwas hoch gegriffen?

Der Europarat ist eine äußerst angesehene und geachtete internationale Organisation, der deutlich mehr europäische Staaten angehören, als beispielsweise der EU – in der Tat eine eindrucksvolle Struktur.

Daraus jedoch zu schlussfolgern, dass die Erfahrungen der ‚kleinen’ DG hier nicht ins Gewicht fallen, halte ich für grundlegend falsch. Im Gegenteil: Gerade weil die DG der kleinste belgische Teilstaat und eine der kleinsten europäischen Gebietskörperschaften mit Gesetzgebungshoheit ist, kann sie hier einen fundamental wichtigen Beitrag leisten.
Diese Ausgangssituation ermöglicht der DG, eine eigene Politik zu führen, die mit ihrer höchst interessanten Minderheiten- und Grenzsituation unmittelbar Rechnung trägt. Das gibt es in dieser Form nur an sehr wenigen Orten in Europa. Durch diese Ausgangslage ist die DG ein äußerst interessantes Laboratorium für eine zielgerichtete Minderheitenpolitik in verschiedensten Bereichen.

Der Einzigartigkeit der eigenen politischen Situation sind sich innerhalb der DG verständlicherweise nicht immer alle bewusst. Da hat die Politik zugegebenermaßen noch einiges an Erklärungsbedarf nachzuholen! Vor allem gilt es, dem Bürger die Vorteile der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit besser zu verdeutlichen – sei es mit den direkten Nachbarn; innerhalb regionaler Zusammenarbeitsverbünde wie der Euregio und der Großregion sowie internationaler Organisationen wie dem Europarat oder der AGEG.

Hintergrund Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates:

Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) wurde 1994 als beratendes Gremium des Europarates eingerichtet und bildet neben der parlamentarischen Versammlung und dem Ministerkomitee die dritte Säule des Europarates. Der KGRE zählt heute 318 namentlich benannte Mitglieder aus den 47 Mitgliedstaaten des Europarates, welche gewählte Vertreter von kommunalen oder regionalen Gebietskörperschaften sind.

Der Kongress berät das Ministerkommitee und die Parlamentarische Versammlung in Form von Stellungnahmen und Empfehlungen. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehören:

  • die Schaffung bzw. Entfaltung effizienter kommunaler und regionaler Regierungsstrukturen in allen europäischen Staaten,
  • die Einführung von Maßnahmen zur Förderung einer effektiven Beteiligung der Bevölkerung an der Kommunal- und Regionaldemokratie,
  • die Berücksichtigung der Interessen der Kommunal- und Regionalbehörden bei der Gestaltung der europäischen Politik,
  • die Förderung der regionalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Hinblick auf Frieden, Toleranz und nachhaltige Entwicklung zum Schutze und zur Erhaltung unserer Regionen für kommende Generationen.

PM-2010-03-23-Vorstellung Bericht Europarat (62.3 KiB)