Reden

Lambertz erhält das Komturkreuz mit Stern des Burgenlandes


Karl-Heinz Lambertz wurde Ende Februar mit der höchsten Auszeichnung des Burgenlandes ausgezeichnet. Landehauptmann Niessl verlieh Lambertz das Komturkreuz mit Stern für dessen europäisches und grenzüberschreitendes Engagement.

Weitere Informationen finden Sie im Pressetext des Burgendlandes unter folgendem Link: http://www.burgenland.at/news-detail/news/ehrenzeichen-fuer-verdiente-persoenlichkeiten/

Der unten Stehende Text der Dankesrede des Parlamentspräsidenten in PDF-Version: 20150224 Rede Burgenland_Verleihung Komturkreuz mit Stern an Karl-Heinz Lambertz

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Dankesrede von Karl-Heinz Lambertz, Parlamentspräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Komturkreuz mit Stern des Burgenlandes

24. Februar 2015

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,
lieber Hans Niessel,
sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
werte Festversammlung,

ich habe die äußerst ehrenvolle Aufgabe, im Namen all der heute Geehrten für diese Auszeichnung zu danken. So unterschiedlich unsere Lebensläufe, Tätigkeiten und Gründe für die heutige Ehrung auch sein mögen, so glaube ich, dass wir alle einiges gemeinsam haben. Zu allererst dürften wir bei diesen Laudatios das Gefühl gehabt haben, dass die Ausführungen zu unserer Person doch ein bisschen übertrieben waren. Aber ich gestehe ganz gerne, dass wir es uns trotzdem sehr gerne gefallen gelassen haben. Dann gibt es einen zweiten Aspekt, der uns wahrscheinlich vereint und der durchaus auch von gemischtem Inhalt ist. Wenn man zu solch hohen Auszeichnungen kommt, dann muss man sich der Tatsache durchaus bewusst und gewiss sein, dass man nicht mehr im Morgengrauen sondern wohl eher vor der Abenddämmerung seines beruflichen Weges steht. Aber auch am Abend kann das Leben ganz schön sein!

Dann sagen Auszeichnungen natürlich nicht nur einiges über diejenigen aus, die sie erhalten, sondern auch über diejenigen, die sie vergeben. In diesem Zusammenhang glaube ich, dass die Art und Weise, wie das Burgenland die Auszeichnungen vergibt, viel mit seinem eigenen Selbstverständnis zu tun hat. Es wurden nämlich Tätigkeiten hervorgehoben, die deutlich machen, wie wichtig der Zusammenhalt nach innen im Burgenland ist: die Verankerung in der eigenen Region. Gleichzeitig wurde jedoch auch der Blick nach außen besonders hervorgehoben: die Vernetzung, das Zusammenarbeiten über die Landesgrenzen hinaus.  Diese beiden Aspekte der tiefen Verwurzelung und breiten Vernetzung machen nach meiner persönlichen Lebenserfahrung in der Tat erfolgreiche Regionen aus.
Und das Burgenland ist eine erfolgreiche Region! Ich selbst kenne es seit vielen Jahren – ja schon seit dem vorigen Jahrhundert – und ich empfinde mit diesem Land eine gewisse Seelenverwandtschaft. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist da ein geographischer Grund: Die Burgenländer leben im Osten ihrer Republik, wir deutschsprachigen Belgier leben im Osten unseres Königreiches – dabei lege ich hier wirklich nicht den Schwerpunkt auf „Republik“ und „Königreich“ sondern auf den „Osten“. Damit verbunden ist auch der zweite Aspekt der Parallelen zwischen unseren Regionen: das Leben an einer Grenze. In einer Grenzregion zu leben ist immer etwas Prägendes. Das hat viel mit Geschichte zu tun und legt gleichzeitig den Handlungsrahmen für  Gegenwart und Zukunft fest. Wenn wir uns über die Gemeinsamkeiten zwischen dem Burgenland und der deutschsprachigen Region Belgiens unterhalten wollen, dann müssen wir uns zunächst mit den Vororten von Paris befassen, nämlich mit Versailles und St. Germain. Dort sind nach dem Ersten Weltkrieg die Verträge unterzeichnet worden, die unsere Zugehörigkeit zu den Staaten festlegten, in denen wir jeweils bis zum heutigen Tag verankert sind.
Und wenn wir über Perspektiven reden, dann kann man diese weder in der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens noch im Burgenland wirklich sinnvoll und nachhaltig entwickeln, wenn man nicht grenzüberschreitend denkt. Vor diesem Hintergrund ist es besonders interessant, sich vor Augen zu führen, dass wir in Ihrem Fall über eine historisch außerordentlich bedeutende Grenze sprechen, nämlich jene, die Europa über Jahrzehnte in zwei Lager teilte. Eben wurde bereits über die Bedeutung des Eisernen Vorhangs gesprochen. Dieser historische Kontext macht die hiesige Grenzregion wirklich  spannend! In meiner Region begegnet man gleich einer doppelten Grenze. So gibt es in meiner Heimat eine Staatsgrenze zu Deutschland, welche durch den Versailler Vertrag definiert wurde, der die vorher während 100 Jahren zu Preußen gehörenden Gebiete von Eupen-Malmedy Belgien zuteilte. Zum anderen gibt es die innerbelgische Sprachengrenze, deren „Unverrückbarkeit“ für einen Außenstehenden wohl kaum vorstellbar ist. Man muss die belgischen Innereien schon ganz gut kennen und verstehen, um sich der Tragweite einer solchen Sprachgrenze in ihrer ganzen Bedeutung bewusst zu werden. Aber sowohl im Falle der Landes- als auch der Sprachgrenzen – sei es hier oder in meiner Heimat – gilt die Prämisse: Grenzen müssen überwunden werden. Wenn dies gelingt, bieten sie wunderbare Gelegenheiten, neue Horizonte und Perspektiven zu entdecken.

Abgesehen von dieser „Grenzerfahrung“ verbindet das Burgenland und meine Heimat seit vielen Jahren noch eine ganze Reihe anderer Aspekte. So erinnere ich mich noch immer sehr gerne an die Bezeichnung des Neusiedlersees als Landschaft des Jahres durch die internationalen Naturfreunde. Das war nämlich genau in dem Jahr, nachdem das Hohe Venn in meiner Heimat diese Auszeichnung erhalten hatte. Das war damals schon ein stark verbindendes Element.
Wenn ich in den letzten Jahren irgendjemandem von erfolgreicher Arbeit mit EU-Strukturfonds erzählen wollte, dann habe ich fast immer auch das Beispiel des Burgenlandes genannt, das in äußerst erfolgreicher Weise mit diesen Mitteln umgegangen ist und diese zielsicher als Multiplikator für eine dynamische Regionalentwicklung eingesetzt hat. Deren Ergebnisse kann man heutzutage hierzulande allerorts sehen. Ich selbst durfte vor nicht allzu langer Zeit im Sommer den erfolgreichen Kulturtourismus erleben, den sie hier praktizieren. Aber auch der Weg, den die Burgenländer in Sachen erneuerbare Energie eingeschlagen haben, ist überaus beeindruckend. So ist es wirklich bewundernswert, dass Sie es hier im Norden des Neusiedlersees geschafft haben, in einer einzigartigen Naturregion einvernehmlich einen der größten Windparks in Europa einzurichten und auf diese Weise als erste europäische Region energieautark zu werden.

Anknüpfend an die eben erwähnten Strukturfonds kann man sagen, dass das Burgenland Europa einiges zu verdanken hat. Aber es hat durch seine rege Arbeit in verschiedensten Gremien gleichzeitig auch Europa vieles gebracht. So hat es intensive Lobbyarbeit zur Verteidigung regionaler Interessen in Europa betrieben, die stets über die eigenen Belange hinausging. So ist etwa der berühmte EVTZ – der Europäischen Verbund für Territoriale Zusammenarbeit – seinerzeit ganz wesentlich von einem Bericht Ihres Landeshauptmanns im Ausschuss der Regionen geprägt worden. Auch in vielen anderen Bereichen sind die Burgenländer auf europäischer Ebene sehr präsent.

All das zeigt, dass man nicht unbedingt flächenmäßig groß sein muss, um in Europa wahrgenommen zu werden – da sind wir schon bei der nächsten Seelenverwandtschaft. Vielleicht sollte ich besser von einer Schicksalsgemeinschaft sprechen, denn eines dürfte feststehen: Weder das Burgenland noch die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens werden in absehbarer Zeit ihr Territorium erweitern können. Aber auch als kleinere Gebietskörperschaft mit Gesetzgebungshoheit – meine Region ist noch fünfmal kleiner als die Ihre – kann man in Europa durchaus wahrgenommen und tätig werden. Das sollten wir gemeinsam auch tun, denn Europa ist unsere Zukunft. Davon bin ich zutiefst überzeugt! Das ist auch der Grund, warum ich mich selbst – wie viele andere – gerne in interregionale Zusammenarbeit einbringe. Es ist auch der Grund, warum ich nie aufhören werde, die Fortsetzung der europäischen Integration als die einzig wünschenswerte Alternative für die Zukunft unseres europäischen Kontinentes zu bezeichnen.

Man muss allerdings nicht besonders intelligent sein um festzustellen, dass Europa zurzeit nicht gerade in Höchstform ist. Europa braucht einen neuen Schub, eine neue Erfolgsgeschichte. Etwas, das bei den Menschen aller Generationen für Europa wieder Begeisterung hervorruft. Ich bin mit vielen anderen der Überzeugung, dass ein Teil dieses Schubes durchaus auch aus den Regionen Europas kommen kann. Denn nur wenn Europa von den Menschen auf dieser Ebene als ein Mehrwert wahrgenommen wird, nur wenn Europa die Stimme der Regionen hört und es schafft, auf die Anliegen der Menschen vor Ort einzugehen, kann dieser Erfolg eintreten. Das hat einmal Herwig von Staa in hervorragender Weise formuliert, als er bei der Jahrestagung der Stiftung des Aachener Doms sagte: „Europa ohne seine Regionen ist nicht denkbar, Innovation und Kreativität entstehen in den Regionen, Städten und Gemeinden. Arbeitsplätze und Wachstum werden dort geschaffen und Kräfte wie Solidarität und Zusammenhalt entwickeln sich ebenfalls dort vor Ort.“ Diesem Kredo stimme ich uneingeschränkt zu! Jetzt brauchen wir nur noch die richtige Einstellung, um trotz aller Probleme auf diesem Wege fortzufahren. Diese Einstellung hat der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck am 23. Februar 2013 in seiner Berliner Rede hervorragend formuliert. Er sagte damals: “Mehr Europa brauchen wir und dieses ‚Mehr Europa‘ fordert Mut von allen. Dieses ‚Mehr Europa‘ braucht keine Bedenkenträger sondern Bannerträger, keine Zauderer sondern Zupacker, keine Getriebenen sondern Gestalter“.

Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.