Rede von Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft und Spitzenkandidat der SP für die PDG-Wahlen am 25. Mai, anlässlich der großen Abschlussveranstaltung zum Wahlkampf
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Liebe Freundinnen und Freunde,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
in sieben 7 Tagen wird sich entschieden haben, ob es in Europa eine andere Politik geben kann. Dann wird sich entschieden haben, wie es mit unserem Land Belgien weitergeht. Dann wird sich entschieden haben, wer uns in der Wallonischen Region vertritt, um dort die Politik zu gestalten, von der Edmund Stoffels eben so eindrucksvoll gesprochen hat. Dann wird sich auch entschieden haben, wer in Zukunft die Geschicke der Deutschsprachigen Gemeinschaft leitet. Für all diese politischen Ebenen bietet sich die SP als ein „starker Partner in und für Ostbelgien“ an. Wir haben in den zwei letzten Stunden hier erlebt, dass das nicht so ein dahin gesprochener Spruch ist, sondern dass dahinter viel Können, viel Engagement und vor allem sehr viel Herzblut steht.
Wir werden in den nächsten Jahren beweisen müssen, dass wir genau wie in der Vergangenheit in der Lage sind, entscheidende Impulse zu stellen. Jahrzehntelang haben wir in Ostbelgien bewiesen, dass mit uns zu rechnen ist. Alles, was hier an Autonomie gewachsen ist, was hier dank dieser Autonomie an Politik gestaltet worden ist, trägt ganz konkret und sichtbar die Handschrift unserer Partei. Das wissen die Menschen in Ostbelgien. Und ich bin überzeugt davon, dass die Menschen das am kommenden Sonntag nicht vergessen werden!
Das, was geleistet wurde, ist nicht perfekt. Es bleibt noch unendlich viel zu tun. Dass, was geleistet wurde, kann sich jedoch sehen lassen. Das lassen wir uns von niemandem kaputt reden. Das, was wir geleistet haben, haben wir über diese Jahre und Jahrzehnte als Mannschaft geleistet. Eine Mannschaft, die an den verschiedensten Stellen gearbeitet hat, die immer nah bei den Menschen vor Ort war und die stolz auf das sein kann, was wir geschaffen haben.
Ich denke da an die SP-Fraktion. Charles Servaty und Resi Stoffels, zwei langjährige Weggefährten. Mit Charles mache ich Politik, seitdem er die Universität verlassen hat. Mit Resi arbeite ich seit vielen Jahren sehr eng, sehr gut und sehr verlässlich im Parlament der DG zusammenarbeiten .
Neuer hinzugekommen sind Berni Schmitz, den wir alle aus seiner hervorragenden Arbeit als Sekretär unserer Partei kennen und schätzen gelernt haben, sowie Kirsten Neycken-Bartholemy, die Jüngste, die in den letzten Jahren zu uns gestoßen ist und die schon durch ihren Lebenslauf deutlich macht, dass wir dank der Sozialisten mittlerweile in einer Gesellschaft leben, wo man wirklich voran kommen kann, wenn man das will und wenn man sich dafür genügend anstrengt.
Dann gibt es noch einen wichtigen Mann in dieser Fraktion. Viele haben ihn heute, als er herein kam, gar nicht auf den ersten blick erkannt: Louis Siquet. Louis kenne ich aus der Zeit, wo er mein KLJ-Leiter war. Das sind schon ein paar Jahre her. Gut erinnere ich mich auch noch an die Zeit, wo ich die ersten Tanz- und Trinkversuche in den ostbelgischen Ballsälen gemacht habe. Damals, als wir beide noch Junggesellen waren, sind wir oft zusammen unterwegs gewesen. Er kann auf eine langjährige und bemerkenswerte Karriere zurückblicken. Er ist in der Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft derjenige, der am längsten unsere Heimat im Senat vertreten hat. So wie wir den Senat noch bis vor einigen Wochen kannten, wird er in Zukunft nicht mehr bestehen. Louis hat dort hervorragende Arbeit geleistet. Er ist dort, und übrigens nicht nur dort, auch schon mal dem Einen oder Anderen auf die Nerven gegangen. Aber wenn Louis sich etwas in den Kopf setzt, setzt er das auch durch. Das habe ich immer sehr an ihm geschätzt. Selbst, wenn ich mich darüber hin und wieder auch schon mal ärgern durfte. Und dann noch eins: Louis war zu dem Zeitpunkt Präsident unseres Parlamentes, als es die schwierigste Entscheidung durchzusetzen galt, die es dort je gegeben hat, nämlich dem Umzug in das Sanatorium. Er hat sich trotz der hässlichsten Angriffe damals nicht vom richtigen Weg abbringen lassen. Seit dem Tag der offenen Tür im Parlament der DG teilt diese Auffassung übrigens ein Großteil der ostbelgischen Bevölkerung. Aber damals war es sehr schwer und man musste ein dickes Fell haben, um das alles durchzuziehen. Dafür, lieber Louis, recht herzlichen Dank!
Dann haben wir noch jemand in diesem Team, der jahrelang Politik gemacht hat: Edmund Stoffels. Unser Mann in Namur! Unser bester Mann in Namur, aber nicht nur unser bester Mann in Namur, sondern einer, der besten, wenn nicht sogar der beste Parlamentarier, den es überhaupt momentan dort gibt. Edmund kenne ich nun schon seit 26 Jahren. Ich werde nie unser erstes Treffen vergessen. Edmund, jung und dynamisch, wurde über einen gemeinsamen Freund mit mir in Verbindung gebracht. Wir diskutieren darüber, ob wir in Zukunft gemeinsam Politik machen sollten. Wir haben es gemacht… viele Jahren, Jahrzehnte lang… mit großem Erfolg. Dir, lieber Edmund, möchte ich ganz besonders für dieses Vierteljahrhundert sehr guter, loyaler und freundschaftlichen Zusammenarbeit danken.
Wir haben heute auch erlebt, dass die SP nicht nur erfahrene Mandatare und Kämpfer hat. Sie hat ebenfalls eine tolle dynamische Mannschaft, die neu in die Politik hineingekommen ist. Darunter gibt es ältere und jüngere Menschen, die zum ersten Mal diesen nicht sehr leichten Schritt wagen, sich politisch zu engagieren. Ich war begeistert von dem, was wir in den letzten Wochen und Monaten gemeinsam im Wahlkampf erlebt haben. Ich möchte allen, die sich zum ersten Mal für eine Kandidatur bereit erklärt haben, recht herzlich für diesen Schritt danken. Ich weiß, das ist ein schwerer Schritt. Der fällt keinem leicht. Dass Ihr ihn gewagt habt, ist eine tolle Sache. Dafür ein ganz großes Dankeschön!
Ein ganz großes Dankeschön möchte ich in unser aller Namen auch an Antonios Antoniadis richten. Wir sind nicht nur die Partei mit den erfahrensten Mandataren. Wir sind auch die Partei mit dem jüngsten Parteivorsitzenden. Das ist ganz wichtig ist für die Zukunft unserer Partei und unserer politischen Überzeugung hier in Ostbelgien. Denn nur wenn die nächste Generation in den Startblöcken steht, können wir davon ausgehen, dass das, was wir aufgebaut haben, in Zukunft fortgeführt wird. Dafür, und für das, was du in der kurzen Zeit Deiner bisherigen Präsidentschaft geleistet hast, danke ich Dir, lieber Antonios, recht herzlich.
Unsere jahrelange Arbeit war erfolgreich. Beim schrittweisen Aufbau der Autonomie sind dank der tatkräftigen Unterstützung der Sozialisten in Brüssel und Namur unsere Zuständigkeiten ständig gewachsen und immer größer geworden. Der berühmten Artikel 59ter, aus dem mittlerweile der Artikel 139 der belgischen Verfassung geworden ist, haben die frankophonen und flämischen Sozialisten Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts aus der Opposition heraus mit unterstützt. Jede der bisher stattgefundenen 5 Übertragungen von zusätzlichen regionalen Kompetenzen ist immer unter aktiver Beteiligung der Sozialisten und unter meiner persönlichen Federführung zustande gekommen.
Die 6. Staatsreform hat der DG ebenso wie die vorige Lambermont-Reform hervorragende Verbesserungen gebracht. Die Lambermont-Reform führte sogar zur Rettung vor dem finanziellen Würgegriff. Die jetzige Reform führt zu einer bedeutenden Erweiterung unserer Zuständigkeiten und unserer finanziellen Mittel, wobei der wirkliche Nutzen der finanziellen Verbesserungen erst ab dem Jahr 2024 voll spürbar sein wird, weil es dann während 10 Jahren zu einer progressiven Erhöhung unserer Finanzmittel kommen wird. Das bedeutet eine wichtige Zukunftssicherung.
In all den Jahren hat sich der Standort Ostbelgien wesentlich verbessert. Wir wollen keine Autonomie um ihrer selbst Willen. Wir wollen Autonomie, um die Lebensbedingungen möglichster vieler Menschen hier in Ostbelgien zu verbessern und um dazu beizutragen, dass es hierzulande, mehr noch als anderswo, einen starken sozialen Zusammenhalt gibt. Das ist das, wofür wir stehen. Das ist das, wofür wir uns immer eingesetzt haben. Das ist das, was wir zur zentralen Aufgabe unserer zukünftigen Politik machen wollen.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist mittlerweile ein stattlicher Betrieb. 600 verschiedene Dienstleistungen werden Tag für Tag erbracht und gestaltet. Daran arbeiten hauptamtlich 4.000 Menschen. Alleine 2.200 als Lehrerinnen und Lehrer. Weitere 800 als Beschäftigte Arbeitslose und über 350 in den Einrichtungen unserer Behindertenbetreuung. Das alles geschieht mit einem Haushalt von rund 220 Millionen Euro pro Jahr, der nach der Staatsreform und der Übertragung der neuen Beschäftigungszuständigkeiten auf über 300 Millionen Euro pro Jahr heranwachsen wird.
Das alles funktioniert nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört zuallererst, dass wir Tag für Tag nah bei den Bürgerinnen und Bürgern sind. Dazu gehört auch, dass wir gute und verlässliche Arbeit machen. Dazu gehört nicht zuletzt, dass wir uns auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlassen können. Die Mitarbeiter im Kabinett, in der Fraktion und im Bürgerbüro haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten hervorragende Arbeit geleistet. Ohne diese Mitarbeit könnte keiner der Mandatare das leisten, was er tagtäglich zustande bringt.
Zu den Voraussetzungen erfolgreichen Regierens gehört auch, dass wir gute Beziehungen zu unseren Partnern im In- und Ausland haben. In Brüssel, in der belgischen Hauptstadt ebenso wie in der europäischen, kommt es entscheidend darauf an, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute zu kennen, um eigene Vorstellungen erfolgreich durchsetzen zu können. Natürlich wird keiner in Brüssel oder Namur automatisch immer Ja und Amen rufen, wenn wir als Deutschsprachige irgendetwas fordern. Aber es geht ständig voran. Man braucht nur schauen, wer heute alles vom Belgien zu viert redet. Auch wenn es sich eigentlich um eine logische Entwicklung unseres Bundesstaatsmodells handelt, muss sie immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Vor allem aus unserer Perspektive, der Perspektive des vierten Partners, der wir neben Flandern, der Wallonie und Brüssel sein wollen. Wir machen da gewaltige Fortschritte.
Die Idee zu diesem mittlerweile schon berühmten Pin ist mir gekommen, als ich am 21. Juli letzten Jahres bei seiner Amtseidleistung vor S.M. König Philippe I. saß und sah, wie er neben dem Wappen des Königshauses die vier Wappen Flanderns, der Wallonie, Brüssels und der DG hinter sich hängen hatte. Man braucht für eine Botschaft manchmal eine sehr klare Aussage, ein einfaches Bild, ein Symbol. Erinnert Ihr Euch noch an die Presseberichte über den Besuch von Rudy Demotte in Eupen? Ich brauche den Pin nur zu zeigen und schon zieht ihn der wallonische Ministerpräsident an, macht aber dann den aus seiner Sicht nicht besonders geschickten Schachzug, ihn beim zweiten Interview wieder abzunehmen. Heute hat der Spitzenkandidat der PS im Wahlbezirk Lüttich versprochen, ihn den ganzen Tag anzulassen. Ich werde das morgenfrüh nachprüfen, denn ich kenne ein paar Leute, die ihn heute noch auf einigen Veranstaltungen sehen werden. Ich habe ihm gesagt, wie unklug es ist, den Pin vor einer Kamera anzuziehen und vor der anderen wieder zu entfernen.
All das sind Symbole. All das bringt zum Ausdruck, dass wir alleine nichts erreichen können. Wir können nur voran kommen, wenn wir Verbündete haben. Wir brauchen in vielen Dingen verbündete Partner in Belgien, in den Grenzregionen, aber auch anderswo in Europa. Wir müssen immer wieder viele Menschen davon überzeugen, dass wir für sie interessante Partner sein können.
Die Regierung legt eine Bilanz vor, die sich sehen lassen kann. Wir haben ein Dokument erstellt, dem wir den einfachen Titel gegeben haben: „Versprochen – gehalten“. Was haben wir den Menschen 2009 in der Regierungserklärung versprochen? Daneben haben wir geschrieben, was daraus geworden ist. Es ist beeindruckend zu sehen, was wir alles von dem, was wir uns vorgenommen hatten, auch verwirklichen konnten. Das ist seriöse Politik! Nicht nur über Dinge reden, sondern sie tun und dafür sorgen, dass das, was man verspricht, Wirklichkeit wird. Das war, ist und bleibt das Markenzeichen der Regierungen, für die ich die Verantwortung übernommen und an deren Spitze ich gestanden habe.
Wir haben es in finanziell äußerst schwierigen Zeiten geschafft, Sparen sowie Streichen und Verschieben von Ausgaben so hinzubekommen, dass die Qualität der Dienstleistungen nicht fundmental darunter gelitten hat, ja, dass sogar noch da, wo es nötig war, neue Dienstleistungen entstanden sind. Wir haben es geschafft, den Infrastrukturstau weiter abzubauen und dennoch zu verhindern, dass die Gemeinschaft in eine nicht zu verantwortende Überschuldung stürzt oder aber für die kommende Regierung kein finanzieller Handlungsspielraum mehr übrig bleibt. Diesen Spagat haben wir hinbekommen. Jeder, der schon einmal geturnt hat, weiß, dass Spagat nicht jedermanns Sache ist. Ich bin sehr froh, dass wir ihn politisch hinbekommen haben.
Wir haben es auch geschafft, in dieser schwierigen Zeit ein erstes Umsetzungsprogramm für unser Regionales Entwicklungskonzept zu verwirklichen, in das wir kumuliert 15 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln eingebracht haben. Das entspricht rekurrenten Ausgaben von 4 Millionen Euro pro Jahr. Wir haben insgesamt 48 Projekte mit knapp 500 Arbeitsschritten verwirklicht. Wir sind sehr froh, dass uns das gelungen ist.
Wir haben übrigens auch schon das nächste Umsetzungsprogramm für das Regionale Entwicklungskonzept in die Startlöcher gestellt. Auf die Vorschläge, die wir als Regierung in einem Thesenpapier mit 27 Denkanstößen gemacht haben, haben über 20 Organisationen und Einrichtungen aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft reagiert. Diese Reaktionen füllen ein 80seitiges Dokument.
Ganz besonders stolz sind wir darauf, dass wir den in den 90er Jahren wegen der strukturellen Unterfinanzierung der DG entstandenen Infrastrukturstau nach der Lambermont-Refinanzierung abbauen konnten, indem wir in den letzten 15 Jahren mit einem Zuschussvolumen von 440 Millionen Euro insgesamt über 2.200 Projekte verwirklicht haben. Entgegen dem, was die eine oder andere Oppositionsstimme den Menschen zu verklickern versucht, ist dieses Geld prioritär in Schul-, Sozial-, Kultur- und Sportinfrastrukturen geflossen. Wir stehen aber auch zu den Gemeinschaftsinfrastrukturen wie etwa Gospert 42, das Sanatorium oder das für die Entwicklung des Standortes Eupen so wichtige Kloster Heidberg. All das sind Leistungen, auf die wir stolz sein können und die wir uns von niemanden zerreden, zerfleddern oder kaputt machen lassen!
Liebe Freundinnen und Freunde,
Heute geht es vor allem um die kommenden fünf Jahre. Was wollen wir in den nächsten Jahren weiter entwickeln? Wo wollen wir die Deutschsprachige Gemeinschaft hinsteuern? Vor welchen Herausforderungen stehen wir?
Diese Herausforderungen sind gewaltig. Sie fangen auf Weltebene an. Da läuft Einiges völlig schief. Das muss neu orientiert werden bis hin zum Verständnis, was wir von Wachstum haben. Daran kann die DG allerdings trotz aller Vivant-Parolen nichts Fundamentales ändern. Wer den Menschen das vorzugaukeln versucht, der lügt und betrügt sie. Das ist verwerflich! Wir müssen mit den Konsequenzen der internationalen Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkriese klar kommen, die noch nicht vorbei ist, auch wenn es jetzt etwas besser wird. Da haben wir in der Vergangenheit Schwerstarbeit leisten müssen. Da müssen wir auch in Zukunft wachsam bleiben und aufpassen, dass nichts aus dem Ruder gerät.
Dann haben wir berechtigte Angst vor dem, was aus Belgien werden könnte, wenn gewisse nationalistische Kräfte vor allem im Norden unseres Landes zu stark werden. Eines muss man klar und deutlich sagen: Die NVA möchte Belgien kaputt machen. Das steht in ihren Statuten und dafür steht sie. Das ist übrigens ihr gutes Recht. Es gehört nicht zu den zehn Geboten, dass Belgien auf immer und ewig bestehen bleibt. Aber wir wollen Belgien nicht kaputt machen. Wir wollen, dass Belgien weiter besteht und dass Belgien durch die Staatsreform nicht schwächer, sondern stärker wird.
Die unmittelbare Verantwortung, vor der wir stehen, sind die neuen Zuständigkeiten. Sie sind gewaltig. Die Gemeinschaften und Regionen bekommen zusätzlich zu den 40 Milliarden Euro, die sie bisher zu verwalten haben, deren 20 hinzu. Von 18 dieser 20 Milliarden Euro an neuer Verantwortung ist die Deutschsprachige Gemeinschaft direkt betroffen. Das ist keine Kleinigkeit, aber darauf haben wir uns gründlich vorbereitet. Wir wissen, was wir mit den neuen Zuständigkeiten machen wollen. Es ist uns unter meiner Federführung gelungen, einen breiten Konsens in der ostbelgischen politischen Landschaft darüber herzustellen, wie wir ab Januar nächsten Jahres und zum Teil schon ab Juli diesen Jahres die neuen Zuständigkeiten, in enger Synergie mit den alten, wahrnehmen wollen. Dazu gibt es die Resolution von Juni 2011 über das Belgien zu viert und das Fünf-Parteien-Abkommen vom Januar 2014. Diese wichtigen Texte gehören zu meiner persönlichen Leistungsbilanz als Regierungschef.
Wir wollen auch, dass es Weiterentwicklungen gibt, die bisher erst im Ansatz erkennbar sind, wie etwa die stärkere Berücksichtigung der Ortschaften, die ein wunderbares Alleinstellungsmerkmal unserer ostbelgischen Heimat ausmachen. Zusammen mit Antonios bin ich im Sommer letzten Jahres durch die 140 Ortschaften Ostbelgiens gefahren. Wir haben mit hunderten von Menschen Gespräche geführt über das, was sie sich für ihre Ortschaften wünschen. Ich habe die Rundreise nicht zum ersten Mal gemacht. Ich habe diese Ortschaften regelmäßig zu den verschiedensten Anlässen besucht. Dabei ist mir immer wieder deutlich geworden, dass sich die Menschen zuallererst mit ihren Dörfern und Stadtteilen identifizieren. Da wo sie leben, möchten sie mitgestalten und mitbestimmen. Deshalb müssen wir all die positiven Ansätze, die es zur Gestaltung unserer ostbelgischen Ortschaften gibt, weiterentwickeln. Das ist der Grund, warum ich mich mit all meiner Kraft dafür eingesetzt habe, dass wir noch vor Ende der Legislaturperiode eine dafür ganz wichtige Zuständigkeit von Namur nach Eupen bringen konnten, nämlich die Zuständigkeit für das Gemeindesgesetz. Mit dieser Zuständigkeit können wir den Ortschaften neues politisches Leben einhauchen und die Chance geben, vor Ort mehr selbst zu beschließen und zu gestalten. Diese Reform ist das große Werk in Sachen Verankerung in Ostbelgien, dass ich mir noch vorgenommen habe, ehe ich mich eines Tages nur noch um meine Enkelkinder kümmern werde.
Am meisten unseriöse Kritik gibt es an der Regierung in Sachen Finanzen. Ich behaupte, von den Finanzen Einiges zu kennen. Ich habe übrigens hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Kabinett und in der Verwaltung der DG, die mir dabei helfen. Wir haben es geschafft, unter schwierigsten Voraussetzungen die Krise zu überleben und in unseren bisherigen Zuständigkeiten für 2015 einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. Wir haben es geschafft, unsere Haushaltsergebnisse vom belgischen Staat und der Europäischen Union akzeptieren zu lassen. Wir haben es geschafft, neue Mittel zu mobilisieren, insbesondere im Bereich der europäischen Programme.
Wir müssen es jetzt schaffen, dieses Gleichgewicht trotz vorhandener weiterer Sparzwänge auf die neuen Zuständigkeiten der Gemeinschaft auszudehnen. Das können wir dank unserer profunden Kenntnis der Thematik, dank der unter meiner Verantwortung geschaffenen Instrumente und dank des durchaus gut gestrickten neuen Finanzierungsgesetzes.
Wir haben sparen müssen. Ich stehe zu jedem einzelnen Sparbeschluss, den wir gemacht haben. Natürlich haben wir keine Freude daran, Kosten zu reduzieren oder irgendwelche Ausgaben zu verringern. Es ist uns gelungen, das Sparpaket äußerst sozialverträglich zu gestalten. Das muss auch in Zukunft so bleiben. Das müssen wir all denen sagen, die versuchen, ein Thema hochzufahren, das sich in den letzten Wochen ergeben hat: die zeitlich begrenzte 1%ige Kürzung der Lehrer- und Beamtengehälter. Ja, wir haben uns bewusst dafür entschieden, nicht wie die Flamen, nicht wie die Wallonen, nicht wie die Brüsseler, nicht wie der belgische Föderalstaat Personal abzubauen, sondern wir haben uns dafür entschieden, unser Personal zu halten und die notwendigen Sparanstrengungen durch eine zeitlich begrenzte, auf zwei Jahre verteilte, 2%ige Reduzierung der Bruttogehälter hinzukriegen. Das war die richtige Entscheidung und das war keineswegs unsozial!
Wer vor 10 Jahren als Lehrer angefangen hat, verdient heute durchschnittlich 55% mehr als zu Beginn seiner Tätigkeit! Wenn man die Inflation wegnimmt, sind es immer noch 27%. Wer das als sozialunverträglich oder als Sozialabbau bezeichnet, dem muss man wirklich ein paar Definitionen neu beibringen.
Seitdem ich Ministerpräsident bin, sind die Ausgaben für Soziales um Sage und Schreibe 129% von 10,8 Millionen Euro in 2000 auf 23 Millionen Euro im Jahre 2014 erhöht worden! In derselben Zeitspanne sind unsere Ausgaben für Ausbildung, Schulen und Mittelstand von 65,5 auf 96,2 Millionen Euro, d.h. um 47% angestiegen. Dann will uns noch irgendjemand vorwerfen, wir hätten keine Politik im Interesse der Bildung und der sozialen Angelegenheiten getan! Das ist ganz einfach Schwachsinn.
Aufbauend auf den Erfahrungen mit dem Regionalen Entwicklungskonzept werden wir in den nächsten Jahren versuchen, eine starke Standortsinitiative zu entwickeln, indem wir alle Kräfte in Ostbelgien noch besser bündeln. Die Gesellschaft, die Sozialpartner, die Gemeinden, aber auch jede Bürgerin und jeder Bürger, alle müssen die Gewissheit haben, dass in der kleinen Deutschsprachigen Gemeinschaft große Möglichkeiten zur aktiven Bürgerbeteiligung bestehen. Die gibt es aus nachvollziehbaren Gründen im größeren Gemeinwesen so nicht. Das ist einer der großen Vorteile unserer Gemeinschaftsautonomie. Wir wollen diese Standortsinitiative nutzen, um aus unserer Deutschsprachigen Gemeinschaft gleichermaßen eine leistungsstarke und solidarische Region zu machen. Beides gehört für uns zusammen. Wir wollen Leistung. Wir fordern Leistung. Aber wir wollen und fordern auch Solidarität. Die Kunst der Politik besteht darin, beides harmonisch zusammenzubekommen.
Liebe Freudinnen und Freunde,
oft wird ei Frage gestellt: Kann die kleine Deutschsprachige Gemeinschaft all die großen Herausforderungen, die mit zunehmender Autonomie immer größer werden, überhaupt schultern? Ich antworte sehr oft darauf: „Das ist nicht die richtige Frage“. Die Frage ist nicht, ob, sondern wie wir sie schultern können. Auf den Rahmen, in dem wir funktionieren, haben wir keinen Einfluss. Entweder wollen wir eine gleichberechtigte Region in Belgien sein, oder wir verschwinden in die Bedeutungslosigkeit als eine kleine Randerscheinung, irgendwo im Osten der Wallonie.
Wir können diese Herausforderung meistern, wenn wir ein Erfolgsrezept haben. Wie jedes Erfolgsrezept braucht das Rezept zum erfolgreichen Regieren Zutaten. Es gibt deren eine ganze Menge. Ich werde vier Zutaten benennen.
Die erste Zutat ist das notwendige Selbst- und Geschichtsbewusstsein. Wir müssen wissen, wo wir herkommen und wo wir hin wollen. Wir müssen vor allem den Mut zur eigenen Courage haben, all das anzupacken, was anzupacken ist, damit die Dinge in Bewegung kommen. Dafür haben wir als SP etwas zu bieten: Ein Programm mit einem ostbelgischen Demokratiemodell aus 10 Bestandteilen und Anregungen für ein zukünftiges Regierungsprogramm in allen Bereichen der Gemeinschaftsautonomie, wo wir über 70 konkrete Vorschläge gemacht haben, wie das alles weiter gehen kann. Das ist die erste Zutat: selbst- und geschichtsbewusst sein.
Die zweite Zutat ist die Erkenntnis, dass autonom sein, nicht unbedingt heißt, alles selbst machen zu wollen. Nein, autonom sein heißt, selbst zu bestimmten, was geschieht. Ob man es selbst bastelt oder in Kooperation mit anderen Partnern macht, ist eine andere Frage. Gerade für kleine Regionen ist Zusammenarbeit oft die mit Abstand bessere Alternative.
Dann gibt es eine dritte wichtige Zutat. Wir müssen das Prinzip „Erfolgreiche Regionen sind tief verwurzelt und breit vernetzt“ jeden Tag in die Wirklichkeit umsetzen. Verankerung heißt, mit den Menschen vor Ort in den Ortschaften und mit allen Partnern, die dazu bereit, gewillt und in der Lage sind, an dem Zukunftsmodell Deutschsprachige Gemeinschaft zu arbeiten. Da muss jeder mitgenommen werden, der mitmachen will. Es darf keiner am Rande stehen gelassen werden.
Breit vernetzt zu sein, ist ebenso wichtig. Es gehört zu meiner tiefen Überzeugung, dass persönliche Kontakte ganz entscheidend für erfolgreiches Handeln sind. Die Kontakte, die ich mehrere Jahrzehnte lang aufgebaut habe, indem ich Menschen nach hier eingeladen und mich selbst in die eine oder andere Region oder Stadt Europas bewegt habe, sind keineswegs darauf zurückzuführen, dass ich besonders reiselustig wäre. Wenn ich zu meinem privaten Vergnügen reise, läuft das anders als das, was geschieht, wenn die Mammutfahrten stattfinden, von denen sicherlich Henry und Roger so Einiges berichten könnten und die das Ziel verfolgen, möglichst viele Leute in möglichst wenig Zeit zu treffen. Nein, wir machen das, weil wir wissen, dass auch in Zeiten der Telekommunikation und des Internets nichts, aber auch gar nichts persönliche Kontakte mit Entscheidungsträgern anderswo ersetzen kann. Das werden wir fortsetzen. Wir werden weiterhin Anlässe schaffen, damit solche Kontakte stattfinden können, wie dies etwa bei unserem Frühlingsfest in Berlin oder unserem Sommerempfang in Brüssel der Fall ist. Diese Kontakte sind wichtig. Nur zusammen bringen tiefe Verwurzelung und breite Vernetzung den Erfolg, auf den es ankommt.
Neben diesen drei Zutaten gibt es noch eine vierte. Ich weiß nicht, ob sich schon jemand vorstellen kann, wovon ich jetzt reden möchte. Wenn nicht, dann sage ich es: Zum Erfolg gehört auch, dass der richtige Kapitän auf dem kleinen Boot DG am Steuer steht, um es auf manchmal stürmischer See nicht kentern, sondern in den sicheren Hafen einlaufen zu lassen. Was diesen Kapitän angeht, habe ich einen konkreten Vorschlag, der keinen wirklich überraschen wird: Der neue Ministerpräsident soll nach meiner Überzeugung derjenige sein, der nun schon seit 15 Jahren äußerst erfolgreich bewiesen hat, dass er es kann.
Es gibt welche, die meinen, die Zeit sei reif für einen Wechsel in diesem Amt. Jeder hat das Recht auf seine Meinung. In der Tat, 1999 war die Zeit reif… überreif für einen Wechsel an der Spitze der Regierung. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass der nächste Augenblick, wo sich diese Frage noch einmal sinnvoll stellen könnte, erst im Jahre 2019, 20 Jahre später, kommen wird. Auf jeden Fall bin ich der festen Überzeugung, auch in den kommenden fünf Jahren an der Spitze der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft wertvolle Dienste für unsere Heimat leisten zu können.
Dazu setze ich gerne in der Abenddämmerung meiner politischen Laufbahn noch all meine Arbeitskraft, mein Durchsetzungsvermögen, meine Dialogbereitschaft und meine Kompromissfähigkeit ein. Dazu könnte ich noch unwahrscheinlich vieles sagen. Aber, eigentlich kann ich es auch so wie Angela Merkel formulieren. Sie hat einmal im Fernsehen gesagt: „Die Menschen kennen mich!“ Viele Deutsche haben ihr das Vertrauen ausgesprochen, weil sie davon überzeugt waren, dass der Weg, den ihr Land eingeschlagen hatte, gar nicht so schlecht war. Dass sie dann doch noch auf den richtigen Weg gebracht wurde und eine große Koalition mit der SPD eingehen musste, das ist eine Spitzenleistung unserer Freunde aus der SPD, auf die wir uns besonders gefreut haben. Ich möchte den Menschen in Ostbelgien sagen: Sie wissen, was ich geleistet habe, was ich machen kann und wie ich vorgehe. Ich habe großes Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger unserer Heimat, dass sie das zu schätzen wissen, auch wenn sie nicht jeden Tag immer mit allem einverstanden waren. Dann habe ich aber noch einen weiteren Grund, nicht alles zu sagen, was hier auf meinen Blättern steht. Wenn ich jetzt noch länger rede, dann wird mir meine Frau erneut die Ohren lang ziehen und das möchte ich mir nun heute wirklich ersparen.
Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
bleiben wir am Ball! Kämpfen wir noch resolut eine Woche lang überall da, wo wir die Möglichkeit haben. Überzeugen wir die Menschen davon, dass wir die bessere Leistungsbilanz und die besseren Zukunftsperspektiven haben. Dann – davon bin ich zutiefst überzeugt – gibt es am kommenden Sonntag eine große Siegesfeier.
Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit!