Europa

Karl-Heinz Lambertz: Die Regionen brauchen angemessene Mittel und wirksame Strukturen, um jungen Menschen bessere Zukunftsperspektiven zu bieten


Karl-Heinz Lambertz: Die Regionen brauchen angemessene Mittel und wirksame Strukturen, um jungen Menschen bessere Zukunftsperspektiven zu bieten

In Zeiten der Krise und hoher Jugendarbeitslosigkeit in immer mehr Regionen der EU sind eine stärkere politische Zusammenarbeit zwischen allen Regierungsebenen und entsprechende Mittel für die Regionen erforderlich, um die jugendpolitischen Maßnahmen effektiv umzusetzen. So lautet das wichtigste Fazit der Konferenz “Europäisch denken – lokal handeln: Der Beitrag der Länder und Regionen für die europäische Jugendstrategie“, die gemeinsam vom Ausschuss der Regionen (AdR) und “JUGEND für Europa”, der deutschen Nationalagentur für das EU-Programm “Jugend in Aktion”, veranstaltet wurde.

An der in Zusammenarbeit mit den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Saarland und Sachsen-Anhalt ausgerichteten Konferenz nahmen Vertreter der regionalen, nationalen und europäischen Ebene, der Zivilgesellschaft und der Jugendorganisationen teil – wie auch junge Menschen selbst. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Rolle der Regionen bei der Beeinflussung von Formen und Inhalten der Jugendpolitik und Jugendarbeit und der Austausch guter Ansätze und Praktiken zugunsten junger Menschen.

Der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und Vorsitzende der SPE-Fraktion im AdR, Karl-Heinz Lambertz forderte mehr politischen Mut für eine umfassende Europäische Jugendpolitik: “Die Jugend ist unsere Zukunft darf nicht nur ein leerer Spruch sein, sondern muss konkrete Politik und Investitionen bedeuten. Dabei ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eine Hauptaufgabe der europäischen Politik für die kommenden Jahre. Die Einführung der so genannten Jugendgarantie als Mittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist ein erster wichtiger Schritt in diesem Sinne. Jetzt muss es aber darum gehen, die Umsetzung dieser Garantien vor Ort von den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu ermöglichen und klare Perspektiven für ein sozialeres Europa zu schaffen.”

Jean-François Istasse, Mitglied des Parlaments der französischen Gemeinschaft Belgiens und Vizepräsident der Kommission Bildung, Jugend, Kultur und Forschung des AdR, erklärte, dass es notwendig sei, die Wahrnehmung der Rolle und des politischen Mandats der Regionen im Bereich der europäischen Jugendstrategie zu verstärken: “Auf allen Regierungsebenen müssen abgestimmte Maßnahmen getroffen werden, um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken, Fragen zu Qualifizierungen und zur Bildung zu lösen, und eine bessere Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt zu garantieren. Ein größtmöglicher Effekt wird durch die Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften, den Arbeitsämtern und den Orientierungs- und Bildungszentren erreicht.” Als Beispiel führte er eine Initiative der Föderation Wallonien-Brüssel an, die entschieden hat, sich auf die gefährdetsten Schulen zu konzentrieren, indem zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Lehrpersonal 1300 weitere junge Lehrkräfte rekrutiert wurden, um den Schülern besser helfen zu können.

In der Frage der politischen Teilhabe von Jugendlichen vertraten die Teilnehmer die Ansicht, dass junge Menschen mehr Artikulationsmöglichkeiten benötigen, damit sie sich für das europäische Projekt engagieren. Dieser Meinung war auch Michael Schneider, Vorsitzender der EVP-Fraktion im AdR, Staatssekretär und Bevollmächtigter des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund: “Die Regionen in Europa sind die Motoren der europäischen Jugendpolitik, und es sind die jungen Menschen in den Regionen, auf denen die Zukunft der EU ruht. Unsere Jugendpolitik muss sich auf europaweite Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit konzentrieren. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die ergriffenen Maßnahmen den örtlichen Bedingungen angepasst sind, denn die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften können einen erheblichen Beitrag zum Erfolg dieser Programme leisten.”

Auf der Konferenz wurde betont, dass die Jugendpolitik nur effektiv sein kann, wenn sie interdisziplinär angelegt ist. Hans-Georg Wicke, Leiter von JUGEND für Europa, forderte effektive Maßnahmen für politische und zivilgesellschaftliche Akteure auf europäischer und regionaler Ebene, um Europa zu vermitteln und junge Menschen stärker in die Politikgestaltung einzubinden. Er unterstrich, dass das neue “Jugend in Aktion”-Programm “Erasmus+” (2014–2020) dazu genutzt werden könnte, um die Tätigkeiten der Regionen und ihrer Partner zu fördern, insbesondere zur Stärkung der Teilhabe junger Menschen im Rahmen des “Strukturierten Dialogs”.

Die Sicht junger Menschen wurde von Johannes Bergunder wiedergegeben, einem jungen Mitglied des europäischen Jugendkompetenzteams von GOEUROPE!, Sachsen-Anhalt. Er erläuterte die Ergebnisse einer Umfrage unter jungen Europäern zu ihren Sorgen, Wünschen und Erwartungen an lokale und regionale Entscheidungsträger. Die Antworten auf diese Frage waren sehr unterschiedlich: Genannt wurden u.a. die Verbesserung der Bildungssysteme und Mobilitätsprogramme, die Förderung neuer Unternehmensideen, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Wahrnehmung der Standpunkte junger Menschen durch die Politik und die bessere Darstellung der Möglichkeiten, die Europa eröffnet. Johannes Bergunder sah die Hauptsorge junger Menschen nicht darin, einen Job zu finden, sondern eine langfristige Beschäftigung. Außerdem stünden junge Menschen Europa im Allgemeinen positiv gegenüber und seien bereit, Europa aktiv mitzugestalten.

In dieser Hinsicht vertrat Burkhard Jungkamp, Staatssekretär für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, die Ansicht, dass Jugendliche sich zwar für Politik interessieren und gesellschaftlich aktiv sein möchten, aber lieber an Einzelprojekten mitwirken, als sich langfristiger zu engagieren. Er unterstrich die Bedeutung des “Peer-Learnings” insbesondere auf europäischer Ebene und forderte die EU-Regionen auf, sich trotz Haushaltskürzungen um die Aufrechterhaltung ihrer Jugendinfrastruktur zu bemühen, damit sie attraktiv für Jugendliche bleiben.

Hintergrundinformationen:

Die Arbeitslosenquote ist unter jungen Menschen (zwischen 15 und 24 Jahren) von 15% im Januar 2008 auf 22,6% im Juni 2012 emporgeschnellt – eine Zunahme um 50% in vier Jahren. Unter den Arbeitslosen sind mehr als 30% bereits seit einem Jahr ohne Beschäftigung. Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen, die mit einem ernsten Risiko der sozialen Ausgrenzung und Armut konfrontiert sind, unter jungen Menschen höher als in der Gesamtbevölkerung. (Quelle: 2012 EU-Jugendbericht).

Das Hauptziel der 2009 verabschiedeten EU-Jugendstrategie für 2010-2018 besteht darin, mehr Bildungs- und Beschäftigungschancen für junge Menschen zu schaffen und sie zu ermutigen, als aktive Bürger an der Gesellschaft teilzuhaben.