Festakt zum 25-jährigen Bestehen der Landesmedienanstalt Saarland
30/11/2009
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Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Medienrates,
sehr geehrter Herr Direktor,
meine Damen und Herren Minister,
werte Festversammlung,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
in den letzten Wochen wird einem Belgier, der irgendwo auftaucht oder auftritt, besonderes Interesse entgegen gebracht und die Frage ist immer wieder dieselbe: „Wie spricht man den Namen des neuen europäischen Präsidenten richtig aus?“ Vor drei Tagen hatte ich die Gelegenheit, in Berlin ein sehr interessantes Buch mit dem Titel „Seitensprünge“ vorzustellen. Ich hatte mich dorthin begeben in dem Glauben, jeder wolle etwas zum Inhalt des Buches erfahren. Aber nein… die einzig interessante Frage war „Wie spricht man diesen Namen aus?“.
Meine Damen und Herren,
Sie werden sich noch an Herrn Van Rompuy gewöhnen. Er wird Sie alle überraschen. Das gilt, denke ich, vor allem für jene, die ihn bisher noch nicht so gut kannten und das ist ja nun der größere Teil der Weltbevölkerung.
Ich darf diese Woche zum zweiten Mal hier in Saarbrücken reden. Ich hatte zu Beginn dieser Woche die Gelegenheit, vor einem sehr interessierten Publikum den belgischen Bundesstaat als einen Bundesstaat der besonderen Art darzustellen. Ich habe versucht zu erklären, dass Belgien unvergleichbar einfacher funktioniert als die Bundesrepublik Deutschland. Ich weiß nicht, ob ich damit überzeugen konnte. Von einer besonderen Art sind ganz gewiss auch die Beziehungen, die die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens – lassen Sie sich von dem Begriff ‚Gemeinschaft’ nicht fehlleiten, es handelt sich schlicht und einfach um eines der belgischen Bundesländer – mit dem Saarland unterhält. Da ich Sie ja auch unterhalten soll – obgleich nachher viel bessere Künstler kommen – möchte ich zunächst einiges über die uns verbindenden Gemeinsamkeiten zum Besten geben.
‚25 Jahre Landesmedienanstalt’ lautet das Motto der heutigen Feier. Ein Vierteljahrhundert Existenz – genau das verbindet uns auf das Innigste. Es war auch das Jahr 1984, in dem die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens als Region mit Gesetzgebungshoheit das Licht der Welt erblickte. Wir stammen also alle aus dem vergangenen Jahrhundert.
Was geschieht nicht alles in 25 Jahren? Ich könnte Ihnen jetzt die Geschichte der kleinen DG erzählen – DG nennt sich die Deutschsprachige Gemeinschaft, wenn sie sich auf ein Kürzel zusammenfassen lassen will. Ich könnte jetzt auch versuchen zu wiederholen, was schon gesagt wurde, denn wer als dritter oder vierter redet, hat eh meistens nicht sehr viele andere Möglichkeiten als das, was schon gesagt wurde, noch mal zu sagen. Ich könnte auch wiederholen, was sich so alles in diesem Vierteljahrhundert im Bereich der Medien verändert hat.
Sie erinnern sich sicherlich daran… Was war das für ein Ereignis als die ersten privaten Fernsehsender entstanden. Das war in meinem Leben fast so eindrucksvoll wie das erste Fernsehen überhaupt, das meine Eltern kauften nachdem ich jahrelang jeden Sonntag – sofern ich die Woche über brav gewesen war – in eines der beiden Häuser meines Heimatdorfes gegangen war, in denen ein Fernsehapparat stand, um mir in schwarz/weiß Bonanza anzuschauen. Als wir besagten Apparat bekamen, gab es zwei Angebote in deutscher Sprache. Das war für das Überleben der deutschsprachigen Minderheit in Belgien nach dem Zweiten Weltkrieg übrigens gar nicht so unwichtig. Heute ist die Vielfalt derart gewaltig, dass sich derjenige, der die Fülle der Möglichkeiten des digitalen Fernsehens richtig ausschöpft, über 2000 Sender anschauen kann (ob sich das immer lohnt ist eine ganz andere Frage).
Im Grunde genommen hat sich in der entscheidenden Frage jedoch nichts geändert, nämlich in der Frage, welche Auswirkungen dieses fast schon unbegrenzte Ausmaß an Informationen und Angeboten auf das konkrete Alltagsleben der Menschen hat. Ebenso ist für die Grundaufgabe einer Landesmedienanstalt eine entscheidende Frage geblieben: Was muss gemacht werden, damit diese Medienvielfalt eine wirkliche Verbesserung der Lebensqualität der Menschen ermöglicht? Das ist in der Tat gleich geblieben aber alles andere hat sich geändert. Und ich bin davon überzeugt, dass die Änderungen, die in den nächsten 25 Jahren auf uns zukommen, vielleicht sogar die Daseinsberechtigung der Landesmedienanstalten in Frage stellen werden. Ich hoffe aber nicht, dass das auch mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft der Fall ist! Der wünsche ich schon nochmals 25 Jahre. Eines ist sicher: Bei den Aufgaben, die Sie hier wahrnehmen, werden Ihnen neue Herausforderungen, vielleicht neue Organisationsformen, aber auf jeden Fall neue Perspektiven ins Haus stehen. So weit zu den 25 Jahren, die uns gemeinsam sind.
Was haben das Saarland und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens noch gemeinsam? Zum einen ist da die bescheidene Größe. Das möchte ich gerne anhand von vier Zahlen darlegen: 0,70%; 0,72%; 1,26% und 2,80%. Diese Zahlen entspringen nicht der Welt der digitalisierten Medien zwischen 0 und 1, wie sie Negroponte einmal genannt hat. Vielmehr handelt es sich hierbei um den Anteil der saarländischen Bevölkerung an der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, den Anteil der Bevölkerung der Deutschsprachigen Gemeinschaft an der Bevölkerung Belgiens und den jeweiligen Anteil an der Fläche des entsprechenden Landes. Da liegen wir sehr nahe beieinander.
Das Saarland macht 0,72% der Fläche der Bundesrepublik Deutschland aus; die Deutschsprachige Gemeinschaft 0,70% der belgischen Bevölkerung. Bei der Fläche im Verhältnis zu Belgien liegen wir etwas besser… wir können immerhin 2,8% des belgischen Grundgebietes unser Eigen nennen. Wenn man nach der Karte ginge, die hier zu sehen ist, wäre der Prozentsatz wohl noch höher. Denn wer genau hinschaut, erkennt, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft, die in Wirklichkeit aus zwei getrennten Unterregionen besteht, auf Ihrer Karte durch einen Korridor vereint wurde. Wenn davon ein belgischer Fernsehsender Wind bekäme, würde das sicherlich einen zweitägigen ‚Scoop’ in unserem Land auslösen. Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir: ‚Die Deutschsprachigen wollen einen Korridor und die Saarländer haben ihn bereits vorgezeichnet!’
Bei der Bevölkerung liegen wir hinter Ihnen, denn da stellen Sie immerhin 1,26% der Gesamtbevölkerung Ihres Landes. Geben wir es offen zu. Diese Prozentsatzanteile bewegen sich fast noch im homöopathischen Bereich, aber man weiß ja wie gut Homöopathie Menschen gesund machen kann. Falls wir da irgendwelche Komplexe haben sollten – was bei denen, die ich hier sehe, sicherlich nicht der Fall ist und bei Ihrem Ministerpräsident ist das auch nicht der Fall – dann gibt es ein unschlagbares Argument: Wenn ich mir beispielsweise die Frage stelle, ob ich nicht zu klein bin, um ein richtiger Ministerpräsident eines richtigen Bundeslandes zu sein, dann kann ich natürlich davon träumen zu wachsen, aber das ist sehr schwierig in meinem Alter. Da erinnere ich mich viel lieber an meinen Nachbarn, den Premierminister des Großherzogtums Luxemburg, Herrn Junker (dessen Namen wurde im Zusammenhang mit der Präsidentschaft ja oft erwähnt, bevor er Herrn Van Rompuy schließlich auch auf die Schulter klopfte – beide verstehen sich übrigens hervorragend). Herr Junker jedenfalls ist regelmäßig zu Gast in der Volksrepublik China (bei Herrn Putin übrigens auch – Sie müssen sich von ihm mal die Besuche der Kremlkapelle als Privatbesuch erzählen lassen, das ist ein abendfüllendes Programm und für das nächste Mal vielleicht ganz interessant). Das Großherzogtum Luxemburg macht gerade mal 0,0003% der chinesischen Bevölkerung aus. Sie sehen: klein sein ist nichts Außergewöhnliches, es ist lediglich eine Tatsache die man richtig handhaben muss. Die kurzen Wege sind hier sicherlich ein wichtiger Aspekt und auch mit dem Geld muss man ganz besonders vorsichtig umgehen. Das sind Dinge, von denen ich dachte, dass es sie nur in der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt, aber ich habe genau diese Argumente schon dreimal in den heutigen Reden gehört. Also wir liegen da richtig und sind sehr nahe an denselben Zielsetzungen dran.
Dann haben die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens und das Saarland noch etwas gemeinsam. Das ist mir so richtig bewusst geworden, als ich Gast bei der Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit hier in Saarbrücken sein durfte. Wir sind ‚beide’ relativ neue Bundesländer. Das Saarland gehört erst seit 1957 zur Bundesrepublik. Es gibt noch ein paar weitere Länder, die danach gekommen sind. Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist immer noch das neueste der belgischen Bundesländer, denn wir gehören erst seit 1919 (also seit genau 90 Jahren) zu Belgien, welches bereits 1830 entstanden war, als es sich in einem revolutionären Moment von den Niederlanden loslöste. Wir sind also sozusagen die Nachzügler in unseren jeweiligen Staaten. Ob wir aber immer so verwöhnt werden wie die meisten Nachzügler (vor allem die, die unerwartet kommen), das weiß ich nicht.
Es gibt noch weitere Gemeinsamkeiten. Eine ist besonders spannend. Sie hat die deutschen Medien ebenso beschäftigt wie zurzeit die belgischen. Wenn Sie sich Ihre Regierungskoalition anschauen, dann werden Sie feststellen, dass es die in dieser Konstellation nirgendwo anders in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Wenn Sie sich die Regierung anschauen, der Frau Weykmans und ich selbst angehören, dann ist das in Belgien auch so. Also noch etwas, das uns verbindet!
Gemeinsam ist uns nicht zuletzt auch die Tatsache, dass wir Grenzregionen sind und zwar nicht irgendwo, sondern an der Grenze zwischen dem romanischen und dem germanischen Sprachraum und dazu noch an einer alten EU-Binnengrenze. Wir sind eine Grenzregion an einer Stelle, an der die EU 1992 beschlossen hat, dass es überhaupt keine Grenzen mehr gibt. Mehr als alle anderen wissen wir jedoch, dass diese Grenzen natürlich noch eine große Rolle in unserem Alltag spielen. Dieses grenzregionale Dasein ist etwas, das meines Erachtens viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Saarland und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens hervorbringt.
Wenn man uns in Belgien nach unserer Besonderheit fragt, sage ich immer ganz scherzhaft, wir seinen ein Bindeglied zwischen dem französischen und dem deutschen Kulturraum. Wir machen es, glaube ich, richtig. Wir rechnen wie die Deutschen und leben wie die Franzosen, aber nicht umgekehrt. Auch das ist natürlich scherzhaft gemeint, aber diese deutsche Gründlichkeit und das französische „savoir vivre“ sind dennoch mehr als eine bloße Erfindung. Diese Kombination ist in der richtigen Mischung etwas sehr Wertvolles, ja geradezu Geniales… das sieht man auch regelmäßig, wenn Medienproduktionen aus dem Saarland kommen. Ich bin z.B. immer noch begeistert, wenn ein alter Tatort mit Palu wiederholt wird.
So viele Gemeinsamkeiten führen notwendigerweise zur Zusammenarbeit. Diese wurde auch schon angesprochen. Sie hat vielfältige Formen sowohl innerhalb der Großregion Saar-Lor-Lux (wo das Saarland ja turnusmäßig wieder den Vorsitz übernommen hat und wo wir in den nächsten achtzehn Monaten ganz interessante gemeinsame Arbeit leisten können) als auch bilateral und dies ganz besonders im Medienbereich. Herr Dr. Bauer, Sie haben so gut nach dem neuen Intendanten des belgischen Rundfunk- und Fernsehzentrums (unsere öffentlich rechtliche Medienanstalt) gesucht, dass keiner die Hürde übersprungen hat. Sie müssen weiter suchen! Lassen Sie es mich hier ganz offen sagen: Wenn Sie, meine Damen und Herren, Kandidaten, fähige Menschen, kennen, die sich für diesen Job als Intendant einer der kleinsten Rundfunk- und Fernsehanstalten Europas interessieren, die Ausschreibung wird verlängert und neu aufgelegt. Sie brauchen bloß sehr gut Französisch und Deutsch und alles andere zu können, was man sonst noch können muss.
Wir arbeiten zusammen bei diesem sehr spannenden Projekt „Location Guide“. In der Medienkompetenz sind Sie (das sage ich jetzt nicht nur, um Ihnen zu schmeicheln, sondern weil es mir ernst ist) ein wahrhaftes Vorbild für die Deutschsprachige Gemeinschaft. Da wir da noch ein bisschen hinterher hinken, werden wir es dann vielleicht so wie die Österreicher machen. Wir werden Sie noch ein bisschen mehr einbeziehen, damit wir die gröbsten Dummheiten erst gar nicht anfangen.
Dann gibt es noch eine wunderbare Kooperation, die ich hier nicht verheimlichen möchte und die auch etwas mit Ihrem Tätigkeitsfeld zu tun hat: Anfang der 90er Jahre habe ich irgendwo im Süden Frankreichs auf einem wunderbaren am Atlantik organisierten Medienforum verschiedene Medienprofis getroffen, die hier im Saarland einen Rundfunksender aufbauten (Radio Salü), ein Joint-Fenture (wie das im Neudeutschen heißt) zwischen der Gruppe Lagadère und dem Saarländischen Rundfunk. Das war damals noch sehr gewöhnungsbedürftig, ist jedoch eine Erfolgsstory geworden. Aus dieser Erfolgsstory hat sich eine weitere Zusammenarbeit entwickelt, nämlich „100,5 – Das Hitradio“, das im deutsch-belgischen Grenzraum als gemeinsame Initiative des belgischen Rundfunk- und Fernsehzentrums und Radio Salü funktioniert und mittlerweile, trotz oder vielleicht sogar wegen der nordrhein-westfälischen Landesmediengesetzgebung die Marktführerschaft übernommen hat. Das ist eine spannende Geschichte, eine Erfolgsstory, die auch schon mal mit einigem Kopfzerbrechen verbunden war, aber ich glaube, sie sucht europaweit ihres Gleichen und sie musste auf jeden Fall heute erwähnt werden, denn sie passt so richtig zum Anlass.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich spreche jetzt schon seit genau 18:59 Minuten – Sie hatten mir 15 Minuten zugestanden, lassen Sie mich also zum Schluss kommen. Ich glaube, zwischen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und dem Saarland und ganz besonders zwischen denen, die in beiden für Medien zuständig sind und sich einsetzen, bestehen nicht nur sehr viele hervorragende Kontakte, sondern auch eine wirkliche Seelenverwandtschaft. Deshalb bin ich sehr froh, heute Abend bei Ihnen sein zu können und ich möchte Ihnen im Namen der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft, ganz besonders auch im Namen meiner Kollegin Frau Ministerin Weykmans – die das Medienressort sehr erfolgreich übernommen hat, nachdem ich es vierzehn Jahre mehr oder weniger vernünftig versucht habe zu gestalten – recht herzlichen Glückwunsch zu Ihrem erfolgreichen bisherigen Wirken, alles Gute zum Geburtstag und noch viele erfolgreiche Jahre wünschen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!