Reden

Verabschiedung der PDB (Partei der deutschen Belgier)


Verabschiedung der PDB (Partei der deutschen Belgier)
(Rede zum Thema: “Was bleibt, wenn es vorbei ist?”)

14/11/2009

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Meine sehr geehrten Damen und Herren,

gerade wurde gesungen „it’s time to go“.  Ich weiß nicht, ob das auch das Thema des heutigen Tages war oder ob es ein diskreter Hinweis darauf sein sollte, dass noch ein Empfang ansteht.  Wozu sind wir heute eigentlich eingeladen worden?  Für mich persönlich ist heute schon mal eines ganz klar: Heute morgen durfte ich zum ersten Mal in meinem Leben an einem zweieinviertelstündigen orthodoxen Gottesdienst hier in Eupen beiwohnen; und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werde ich zum letzten Mal in meinem Leben anlässlich eines PDB-Abschiedsfestes das Wort ergreifen.

Was bedeutet eigentlich dieses Abschiedsfest?  Ein Begräbnis, eine Wiederauferstehungsfeier vielleicht sogar beides oder keines von beiden?  Als vorletzter Redner hatte ich offensichtlich im Vergleich zu den anderen das Privileg, dass man mir keine genaue Redezeit vorgegeben hatte, aber auch kein Thema.  Man hatte mich vielmehr darum gebeten, eines vorzuschlagen.  Das war eigentlich die schwierigste Aufgabe, die es im Vorfeld dieser Veranstaltung zu lösen galt.  Mit welchem Thema möchte ich auf das Programm kommen? 

Nachdem ich mir all das, was hier gesagt wurde, sehr aufmerksam angehört habe, bin ich mir noch immer nicht ganz sicher, ob es da einen klaren Mainstream gibt.  Da ist ein sehr komplexes Verhältnis zwischen Ende und Anfang zu verspüren, das man philosophisch nachdenkend hier kommentieren könnte.  So etwas Ähnliches hatte ich vorhergesehen.  Eigentlich wollte ich – wie das ja bei mir gar nicht üblich ist – mit der Tür ins Haus fallen und sagen: „Ich rede hier über eine Alternative: „Exitus oder Metamorphose?“ oder über die Variante „Freitod mit angesagter Wiedergeburt“.   Das schien mir dann doch ein bisschen zu brutal, um auf die Einladung geschrieben zu werden.  Hier kann ich es ja so sagen, man hört es ja nur, man braucht es ja nicht auch noch einmal nachzulesen. 

Dann wäre ich fast auf die Idee gekommen, ein Zitat von Willi Brandt in den Mund zu nehmen, was ich Ihnen natürlich jetzt nicht verschweigen werde, nachdem Oliver Paasch vorhin ein anderes hier vorgetragen hat.  Willi Brandt hat nicht nur von „Demokratie wagen“ gesprochen, er hat gegen Ende seines Lebens auch einmal gesagt: „Meine Lebenserfahrung lässt sich in einen Satz zusammenfassen: Nichts kommt von alleine und nur wenig ist von Dauer“.  Das war wiederum zu lang für einen Einladungstext. 

Nach einigen Überlegungen habe ich mich dann dafür entschieden, eine Frage zu stellen und sie natürlich auch zu beantworten, wie es bei einem Politiker ja üblich ist, der ja meistens eh nur auf das antwortet, was er sich selbst als Frage gestellt hat: „Was bleibt, wenn es vorbei ist?“ Das möchte ich sowohl aus der Sicht des Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft tun als auch aus meiner persönlichen Sicht der Dinge.  Ich bin zwar nicht am Tag der Gründung der PDB geboren, aber meine gesamte politische Lebenserfahrung geht – zeitsynchron – einher mit dem Entstehen, mit der Blüte und dem Niedergang der PDB.  

Ich kann sogar von mir behaupten, dass ich in diesem Sale einer der ganz wenigen bin – vielleicht sogar einer von zwei oder drei – die im Jahre 1971 auf einem denkwürdigen Stiftungsfest der Eumavia dabei waren, wo stiftungsfestgemäß im späteren Nachmittag, in einer sehr bekannten Leuvener Kneipe, ein sehr folgenschweres Gespräch zwischen Scholzen und Louis stattgefunden hat.  Das war einige Wochen vor dem Gründungstag der PDB.  Ich war damals 19 Jahre alt und habe sehr genau mitbekommen und auch behalten, worum es da ging.  Diese Information wäre damals Gold wert gewesen, wenn man sie über den kleinen Kreis der Anwesenden veröffentlicht hätte. 

Ich habe mit der PDB nicht nur wegen meines Lebensalters regelmäßig Kontakt gehabt. Ich habe dreimal in meiner politischen Laufbahn Entscheidungen treffen müssen, die vor allem für mich selbst, aber auch im gewissen Maße, denke ich, für die PDB gewisse Folgen hatten.

Die erste Entscheidung war die, der PDB nicht beizutreten, obschon ich an der Bischöflichen Schule St. Vith dieselbe hervorragende Erziehung genossen habe, auf die Edmund Stoffels vorhin an diesem Rednerpult hingewiesen hat.  Im Gegensatz zu Oliver Paasch werde ich das jetzt hier nicht begründen.

Ich habe mich ein zweites Mal mit der PDB sehr intensiv beschäftigt, als es auf dem Höhepunkt der Niermannaffäre darum ging, wie sich meine Partei verhalten soll.  Ich habe mich damals mit meinen Parteifreunden der SP dafür entschieden: Wir heulen nicht mit den Wölfen!

Beim dritten Mal ging es um eine sehr viel klassischere Entscheidung, allerdings um diejenige mit den größten Konsequenzen.  Ich habe 2004 auch an der Entscheidung mitgewirkt, die PDB nach 33 Jahren zum ersten Mal an ostbelgischer Regierungsverantwortung zu beteiligen. 

Das waren die drei konkreten Anlässe, zu denen sich mein politischer Lebensweg mit dem der PDB gekreuzt hat.

Doch nun zur Frage: „Was bleibt, wenn es vorbei ist?“ Diese Frage kann man leicht sehr pädagogisch beantworten.  Man muss zuerst sagen, was ist vorbei, und dann erklären, was bleibt.

Was ist vorbei mit dem Abschied von der PDB?  Da lohnt es sich das Kürzel „PDB“ etwas näher zu betrachten. Heutzutage macht man so etwas ja immer, indem man sich auf Suche  ins Internet begibt.

Meistens landet man dann bei Wikipedia.  Dort findet man bei dem Kürzel „PDB“ zuerst eine Liste mit verschiedenen Begriffen im vollen Wortlaut, unter denen man aussuchen muss.  Der erste Begriff ist „Problemdatenbank“, der zweite „Proteindatenbank“ und der dritte „Partei der deutschsprachigen Belgier“.  Irgendwie passen die drei Begriffe zum heutigen Thema. 

Problemdatenbank: Es wurde in hervorragender Weise hier bereits heute dargestellt und es ließe sich sicherlich noch historisch viel umfangreicher dokumentieren: Die PDB ist in einer sehr turbulenten Zeit entstanden, die sowohl gesamtpolitisch als auch – und vor allem – gemeinschaftspolitisch in unserem Lande äußerst spannend und ereignisreich war.  Die 68er Jahre, der entstehende Föderalismus, aber auch, und das ist besonders wichtig, hier in Ostbelgien, die zunehmende Bereitschaft, nach den sehr schlimmen Ereignissen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, sich wieder politisch zu engagieren.  In dieser Zeit ist die PDB entstanden.  Sie hat damals sehr viel Mut zur Konfrontation aufgebracht.  Die PDB wurde sehr schnell eine Herausforderung, sowohl für die gesamte Bevölkerung unserer Gemeinschaft als auch – und nicht zuletzt – für die etablierten Parteien. Sie war im eigentlichen Sinne des Wortes eine „Problemdatenbank“, mit dem kleinen Vorbehalt, dass man damals ja noch nicht so viel von Datenbank gesprochen hat.  Wenn man das, was damals Thema war, mit dem vergleicht, was das politische Geschehen in unserem Lande und auch in Europa heutzutage prägt, kann man eine sehr spannende Entwicklung nachvollziehen. 

Die PDB hat damals systematisch – das war ihre ganz offenkundige Stärke – auf die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft gesetzt.  Sie hat diese Debatte hierzulande so richtig gesellschaftsfähig gemacht, mit viel Kontroverse versehen, aber auch dafür gesorgt, dass sie aus dem Geruch und dem Verruf der „Heim ins Reich – Ideologie“ herauskam. Sie hat im richtigen Moment für unsere Gegend wichtige Positionierungen beeinflusst.  Das ist ihr in hervorragender Weise gelungen.  Das lässt sich an allen Formulierungen in Sachen Staatsreform, die es in diesen über drei Jahrzehnten gegeben hat, dokumentieren. Auch die aktuellste Formulierung des Allparteienkonsenses in Sachen Gemeinschaftsautonomie steht in dieser Tradition, ja entwickelt sie eigentlich zu einer schon fast vollendeten Form weiter, denn es ist ja mittlerweile so, dass der Allparteienkonsens in der Deutschsprachigen Gemeinschaft besagt, dass wir als deutschsprachige Belgier es zwar nicht unbedingt und unmittelbar fordern, aber auf jeden Fall bereit und in der Lage sind, alle Zuständigkeiten zu übernehmen, die in Belgien den Gemeinschaften und Regionen übertragen wurden oder in Zukunft übertragen werden.  Das hat mal vor längerer Zeit etwas kürzer „Forderung nach der vierten Region“ geheißen.

Die PDB hat in diesem Sinne wirklich wie eine „Proteindatenbank“ gewirkt.  Denn Sie wissen ja wahrscheinlich, dass Proteine dem Muskelaufbau dienen. Das, was man braucht, wenn man Eindruck schinden und etwas durchsetzen will. 

Ja… und dann heißt PDB natürlich auch „Partei der deutschsprachigen Belgier“.  Da kommt es auf jedes Wort an.  Zuerst einmal „Partei“.  Die PDB hat sich immer als eine Partei verstanden.  Da wird es schon einen ersten Bruch zur Kontinuität geben.  Die PDB hatte gute Gründe, sich als Partei zu verstehen.  Dann war sie die Partei der „deutschsprachigen Belgier“, nicht die Partei der Deutschen in Belgien!  Auch das war eine sehr wichtige Klarstellung.  Gerade in dieser Frage ist der PDB trotz dieses klaren Bekenntnisses in ihrem Namen in der Vergangenheit sehr zu Unrecht sehr vieles unterstellt worden.   Dann nannte sich die PDB die Partei „der“ deutschsprachigen Belgier.  Das war sie eigentlich nie.  Sie war höchstens einmal die Partei von 31% der deutschsprachigen Belgier. Sie wäre natürlich gerne die Partei aller deutschsprachigen Belgier geworden.  Das war der eigentliche politische Ansatz dieser Partei bei ihrer Gründung. Aufbauend auf dem Vorbild der Südtiroler Volkspartei wollte sie eine Partei werden, hinter der sich die Gesamtheit der politisch relevanten Landschaft einer Region zusammenfindet.  Das war ein durchaus vertretbares Ziel.  Es war aber für mich persönlich der Grund, warum ich ihr nicht beigetreten bin.  Die Geschichte hat dieses Thema geklärt;  heute ziehen wir die Konsequenzen.  Die PDB ist nicht die Partei der deutschsprachigen Belgier geworden. Deshalb tritt sie heute ab!

Das führt mich zum zweiten Teil meiner Frage: „Was bleibt, wenn es vorbei ist?“ Ganz fundamental bleibt aus meiner Sicht der Dinge – da bin ich sehr froh, dass ich als vorletzter Redner hier noch etwas sagen kann, was heute noch nicht angesprochen worden ist, obschon ich genau weiß, dass viele daran gedacht haben – dass die PDB durch ihr Entstehen und Wirken die ostbelgische Parteienlandschaft nachhaltig und definitiv verändert hat.   Das gilt sowohl für die Inhalte ostbelgischer Parteiaussagen als auch – und vor allem – für die Struktur dieser Landschaft. 

Für die Inhalte gilt es evidenterweise.  Das hat etwas mit dem Autonomiegedanken zu tun.  Dies gilt aber auch und zwar in einem doppelten Sinne für die ostbelgische Parteienstruktur.  Erlauben Sie mir, dass ich der PDB persönlich – auch aus sehr egoistischem Interesse meiner Partei – dafür ganz besonders dankbar bin. 

Was hat das Entstehen der PDB im Jahre 1971 bewirkt?  Es hat bewirkt, dass es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, obschon wir von der Struktur her ähnliche Verhältnisse wie in Bayern haben, definitiv keine christlichsoziale Partei mehr gibt, die strukturell über eine absolute Mehrheit verfügt.  Das ist eine ganz wichtige Konsequenz des Entstehens der PDB gewesen.  Ansonsten würden wir sicherlich in einer Region leben, wo eine Partei sehr regelmäßig mehr als 50% der Stimmen erhalten würde. Dass das nicht meinen Vorstellungen von Politik entspricht, das werden Sie verstehen.  Und dass ich das heute hier als Verdienst darlegen wollte, verstehen Sie sicherlich auch.

Die zweite Veränderung ist eben die, dass der Versuch, eine Volksgruppenpartei zu schaffen, letztendlich nicht gelungen ist.  Die PDB hat durch ihr Wirken in der Deutschsprachigen Gemeinschaft wesentlich aktiv und passiv dazu beigetragen, dass wir hierzulande eine relativ klassische Parteienlandschaft haben mit einer, meines Erachtens, relativ gut funktionierenden parlamentarischen Demokratie, wo wirklicher demokratischer Pluralismus herrscht. Das ist für mich eine ganz wichtige Leistung der PDB, auch wenn sie sich der vielleicht in allererster Linie nicht verpflichtet gefühlt hat, als sie geschaffen wurde.

Eine weitere bedeutende Leistung der PDB ist ihr Beitrag zum Bestand der Gemeinschaftsautonomie.  Die PDB hat ganz große Verdienste an dem, was heute die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft ausmacht.  Das ist viel gelobt worden;  das ist zu Recht gelobt worden; wer das nicht anerkennt, der leugnet einfach die historische Wahrheit.  Dennoch muss eines auch gesagt werden. So groß dieser Verdienst ist, wir dürfen ihn genauso wie den Verdienst von irgendjemand anderem nicht überbetonen.  Denn wenn er wirklich so toll wäre, wie man es gerne hätte, dann sähe die Identifikation der Menschen in Ostbelgien mit ihrer Deutschsprachigen Gemeinschaft ganz anders aus!

Die Deutschsprachige Gemeinschaft besteht vor allem deshalb so wie sie heute besteht, weil es zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Versailler Vertrag und die Umwandlung Belgiens in einen Bundesstaat im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegeben hat.  An beiden Dingen ist der Beitrag der Deutschsprachigen Gemeinschaft nicht einmal homöopathisch. Es sind historische Tatsachen, die als Sachzwang über uns gekommen sind, sowohl die Angliederung an Belgien durch den Versailler Vertrag, als auch die Umwandlung in einen Bundesstaat wegen der anhaltenden Kontroversen zwischen Flamen und Wallonen.  Das ist die eigentliche Grundlage, warum es die Deutschsprachige Gemeinschaft mit ihrer jetzigen Autonomie gibt. Der große Verdienst der PDB besteht in diesem Zusammenhang darin, mit aller Kraft und Entschiedenheit damals deutlich gemacht zu haben, dass die von den anderen Sprachgruppen in unserem Lande geforderte Autonomie auch für die deutschsprachige Minderheit zu gelten hat.

Zweifellos steht fest, dass die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Einzelnen heute nicht so aussähe, wie sie aussieht, wenn es nicht die PDB gegeben hätte.  Aber ebenso deutlich steht fest, dass die Autonomie nicht so aussähe, wie sie heute aussieht, vielleicht sogar überhaupt nicht so da wäre, wenn es nur die PDB in der Deutschsprachigen Gemeinschaft gegeben hätte.

Die PDB hat diese grundsätzliche Berechtigung zur Gleichbehandlung in unserem Lande und die damit verbundene große Autonomie so überzeugend und stark in die Gemeinschaft hineingetragen, dass sie von allen Parteien übernommen wurden. Da hat die PDB übrigens nicht immer die schwierigste Aufgabe gehabt.  Die PDB konnte fordern und sagen, was alles noch nicht da ist.  Die richtigen Prügel in Brüssel, in Namur oder sonst wo haben in den seltensten Fällen die Politiker der PDB bekommen.  Das waren dann die anderen Parteien, die hierzulande von der PDB kritisiert wurden, weil sie nicht genug forderten oder machten, und die sich dann in Brüssel den Vorwurf gefallen lassen mussten, sie seien alles verstecke „Heim ins Reich – Partisanen“.  Soweit zum Bestand der Autonomie und zu dem, was meines Erachtens da an bleibenden Verdiensten vorhanden ist. 

Dann kommt die ganz entscheidende Frage: „Was bleibt?“  Ist ProDG nun die Nachfolgepartei der PDB oder ist sie es nicht?  Als ich heute hier hin kam, hatte ich die Erwartung, darauf einige klärende Dinge zu hören. Ich muss Ihnen ehrlich sagen – aber ich verstehe das sehr gut: diese Erwartung ist nicht ganz erfüllt worden.  Es ist natürlich ganz offensichtlich so, dass ProDG etwas anderes sein will, als die PDB.  Es sind bestimmt diese vielen Aussagen in Richtung Kontinuität gewesen, die Oliver Paasch eben dazu motiviert haben, das nochmals sehr deutlich hier zu sagen. Dennoch ist es natürlich so, dass evidenterweise zwischen der PDB, wie sie heute aufhört, und dem, was in der Zwischenzeit als ProDG entstanden ist, mehr als nur ein kleiner Zusammenhang besteht. 

Das eine wäre ohne das andere nie eingetreten.  Das macht die Sache so spannend.  Deshalb müssen wir diese Schnittmengen natürlich aus doppelter Perspektive betrachten.  Es freut mich sehr für den Mitbewerber auf dem politischen Markt und verlässlichen Koalitionspartner ProDG, dass mittlerweile 80% der Mitglieder nicht aus den PDB-Reihen stammen.  Aber für unser heutiges Thema ist viel interessanter, wie groß denn dieser prozentsatzmäßige Anteil bei den noch verbliebenen PDB-Mitgliedern ist.  Wie viel PDB-Mitglieder sind nicht Mitglied von ProDG?  Wir könnten das hier – seien Sie besorgt, das werde ich jetzt nicht tun – mal kurz durch Handzeichen klären. Wer, außer den Gästen hier, ist nicht Mitglied von ProDG?  Da kämen ganz gewiss stalinistische Verhältnisse bei den Prozentsatzzahlen zustande.  Selbstverständlich gibt es zwischen PDB und ProDG eine sehr interessante Schnittmenge. Damit Sie mich nicht falsch verstehen, ich begrüße dies außerordentlich!  Denn es ist in der Tat keine Selbstverständlichkeit, dass eine Partei schon in ihr Programm hinein schreibt, dass sie eigentlich nur eine zeitlich begrenzte Aufgabe für sich sieht. Es wäre nun politischer Wahnsinn, wenn eine Partei aufhörte, nachdem sie ihr Hauptziel erreicht hat, und sich nicht darum kümmerte, wie das Ganze denn nun doch auch als fortzutragende Leistungsbilanz unter geordneten Verhältnissen in die Zukunft fortgeschrieben wird.  Spannend ist diese Frage auf jeden Fall.  Deshalb habe ich mir erlaubt, sie auch in das Kapitel „Was bleibt?“ mit einzubauen. 

Darüber hinaus gibt es auch noch ganz tolle historische Zufälligkeiten, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.  Wenn wir uns das Datum der Gründung der PDB anschauen, der 27. Dezember 1971, und dann etwas in der Geschichte herumkramen, dann werden wir feststellen, dass am 27. Dezember 1831 – in dem Jahr, wo der erste belgische König seinen Eid abgelegt hat, unsere Heimat aber noch zu Deutschland gehörte – Charles Darwin zu seiner berühmten fünfjährigen Forschungsreise aufgebrochen ist, deren Ergebnisse nachher als Grundstein für die Evolutionstheorie gedient haben. 

Wenn er denn zu Wort kommen könnte, würde Charles Darwin die PDB vielleicht mit einem Galapagosspatzen vergleichen.  Was ist ein Galapagosspatz?  Das sind die Spatzen, die sich so effizient auf das Aufbrechen einer bestimmten Hülsenfrucht spezialisiert haben, dass sie irgendwann feststellen mussten, dass es nicht mehr genügend Schalen für sie zu knacken gab.  Wenn ich meinen Vergleich noch etwas weiter treiben darf, dann würde ich sagen: Gerade für diese Situation hat sich die Evolution etwas ausgedacht.  Denn was nicht mehr seiner natürlichen Umgebung entspricht, verwandelt sich in der Natur.  Irgendwann, so weiß jeder Biologe, kommt der Punkt, wo man einer Gattung einen neuen Namen geben muss, weil sie sich einfach zu weit von den Vorfahren weg entwickelt hat.  Das alles hat bestimmt niemand bedacht, als diese historische Parteigründung am 27. Dezember 1971 stattfand. 

Wenn das Ihnen noch nicht genügt, können wir auch mit dem heutigen Datum noch etwas anfangen.  Am heutigen 14. November 2009 begehen wir nicht nur den Abschied von der PDB, sondern es ist auch der Todestag des berühmten Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der als einer der Väter der Dialektik gilt – und schon sind wir wieder beim Thema des heutigen Tages.

Es gab im Jahre 1963 an diesem Tag aber auch noch etwas ganz anderes und sehr beeindruckendes: Ein Naturschauspiel.  Am 14. November 1963 entstand durch ein Erdbeben südlich von Island eine neue Insel: Die Insel „Surtsey“.  Vielleicht ist dieses Naturereignis etwas, was schon einen Ausblick wirft auf das, was zwischen PDB und ProDG geschehen ist, ohne dass die Naturmächte, um die es da geht, natürlich dieselbe Kraft zu entwickeln brauchten. 

Doch nun etwas ernster …und zum Schluss: Was bleibt denn noch nach all dem, was hier bereits gesagt wurde und was ich noch hinzufügen konnte?  Es bleibt meiner Meinung nach  etwas ganz Wichtiges.  Es bleibt das politische Engagement vieler Ostbelgierinnen und Ostbelgier, die sich als „PDBler“ jahrzehntelang für ihre Gegend, ihre Auffassung und ihre Überzeugungen engagiert eingesetzt haben – nicht immer mit Samthandschuhen, aber politische Auseinandersetzung ist kein Kaffeekränzchen! 

Auf jeden Fall haben diese Menschen sich engagiert und überzeugt für das eingesetzt, woran sie geglaubt haben. Gerade das nach ihrer komplizierten Geschichte auf die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft bezogene Engagement hat vielen Menschen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal den Mut gegeben, sich politisch zu engagieren.  Das war weit über die Inhalte hinaus ganz wichtig! 

Dieses politische Engagement hat wie jedes politische Engagement prominente und weniger prominente Köpfe gekannt.  Es gibt immer diejenigen, die in der ersten Reihe stehen und diejenigen, die sich dahinter engagieren und dann die Kleinarbeit machen.  Diese Menschen haben für unsere Gemeinschaft vieles geleistet, worauf sie zu Recht und auch dauerhaft stolz sein können.  Es war ein substantieller Beitrag zum Entstehen, Konsolidieren und Weiterentwickeln unserer Deutschsprachigen Gemeinschaft. 

Viele dieser Politiker habe ich selbst persönlich kennengelernt; als Partner in der Opposition; als Gegner in der Opposition; als Partner in der Mehrheit.  In diesen verschiedenen Rollen, die ja alle in einer Demokratie wichtig sind, habe ich die Politiker der PDB immer als gradlinige, konsequente und verlässliche Menschen kennengelernt. 

Deshalb möchte ich an dieser Stelle all denen Respekt bezeugen, die sich in diesen Jahren in den verschiedensten Funktionen für die PDB engagiert und Verantwortung getragen haben. Allen, die ihr politisches Engagement in die PDB hineingebracht haben, möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken sowie Ihnen meine eigene und auch die Anerkennung der Regierung an dieser Stelle aussprechen. 

Es war eine wichtige Arbeit; es war eine richtige Arbeit und sie hat unsere Gemeinschaft weitergebracht.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!