20 Jahre OBI
(Ostbelgieninvest)
15/10/2009
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Parlamentspräsident,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Monsieur le Président,
ich darf jetzt seit Eröffnung dieses schönen Zentrums TRIANGEL in St. Vith zum dritten Mal vor einem sehr gut besetzten Saal reden. Ich habe jedes Mal dasselbe Problem: Ich bin immer das letzte verbleibende Hindernis zwischen dem akademischen Teil und dem folgenden Empfang. Ich kann mir sehr genau vorstellen, was das für diejenigen bedeutet, die auf diesen Empfang zu Recht warten – um sich auszutauschen und Gespräche zu führen. Dennoch möchte ich etwas weiter ausholen.
Heute vor 184 Jahren, am 15. Oktober 1815, betrat Napoleon Bonaparte die Insel Sankt Helena, auf der er seine letzten Jahre im Exil verbringen musste. Napoleon wird oft mit der Idee des Risikos und des Wagnisses, in Verbindung gebracht. Es gibt sogar eine Variante des berühmten Brettspiels Risiko, die nach dem französischen Feldherrn benannt ist. In der Tat, Napoleon ist in seiner Zeit sehr viele Risiken eingegangen. Er hat vieles geschaffen. Er hat vieles gestaltet aber letztlich Schiffbruch erlitten. Dennoch ist einiges von dem, was er in Bewegung gesetzt hat, heute noch für unser tägliches Leben von großer Bedeutung. Denken wir etwa an den „Code Napoléon“ und wenn wir nicht gerade in Ostbelgien wären, könnten wir sogar an die Provinzen denken, die ebenfalls ihren Ursprung in dieser Zeit finden.
Genau wie Napoleon hat die Ostbelgieninvest in den letzten 20 Jahren viele Schlachten geschlagen, einige verloren, viele gewonnen und auf jeden Fall Wertvolles geleistet. Hier möchte ich den Vergleich mit dem General Bonaparte abschließen, denn ich möchte heute wirklich nicht heraufbeschwören, dass die OBI eines Tages irgendwo im Exil landen könnte. Nein, meine Damen und Herren, ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass dem nicht so sein wird. Denn im Gegensatz zu Napoleon, vereint die Ostbelgieninvest da einige ganz wesentliche Voraussetzungen in ihrer Struktur, in ihrer Herangehensweise, die für langfristigen Erfolg bürgen und die sicherlich dazu beitragen werden, dass die Ostbelgieninvest die wirtschaftliche Entwicklung hierzulande auch in den nächsten Jahrzehnten (genau wie in den beiden letzten) ganz bedeutend mit beeinflussen wird.
Wer kannte schon vor 20 Jahren die OBI? Vielleicht kannte man die Baumarktkette, die denselben Namen trägt, die immerhin mit der Ostbelgieninvest gemeinsam hat, dass sie dafür steht, dass etwas aufgebaut wird, das möglichst lange halten soll.
Wenn wir heute hier in St. Vith sind, dann hat das schon etwas Symbolisches. Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen etwas düsteren Tag (was die Witterung angeht) im Jahre 1989, als hier in St. Vith (nur wenige Kilometer entfernt in den ehemaligen Gendarmeriegebäuden) um punkt 10 Uhr die Gründung der Ostbelgieninvest angesetzt war. Um 10.15 Uhr sollten sich die Aktionäre auf die Mitglieder des Verwaltungsrates einigen. Man hatte das sehr säuberlich aufgeteilt in eine Vertretung „Nord“, eine Vertretung „Süd“ und einer Vertretung „Mitte“ (Das Nord-Süd-Problem scheint schon einige Jahre auf dem Buckel zu haben…). Eigentlich hatte man geplant, dass diese Festlegung der Verwaltungsratsmitglieder ziemlich zügig von statten gehen sollte, schließlich hatte sich ja für 11.00 Uhr der damalige wallonische Wirtschaftsminister Bernard Anselme angekündigt, welcher die Gründung dann offiziell vollziehen sollte.
So war das geplant… Was damals geschah, war aber etwas ganz anders und ist mir sehr nachhaltig in der Erinnerung haften geblieben! Ich habe schon an vielen Sitzungen teilgenommen, auf denen heftig gestritten wurde – das können Sie mir glauben. Ja, ohne angeben zu wollen, würde ich sogar von mir behaupten, ein Experte solcher Veranstaltungen zu sein. Aber was ich damals erlebt habe, das ist mir seitdem in dieser Härte nie mehr begegnet. Wie die Kesselflicker haben sich damals alle, die da waren, darum gezankt, wer denn nun in den Verwaltungsrat kommen solle. Ich hatte dann schließlich (als damals noch nicht in einem Ministeramt tätiger und mit der nötigen Autorität versehener Mitarbeiter der regionalen wallonischen Investitionsgesellschaft SRIW) die glänzende Idee, die drei Gruppen jeweils in einen Raum einzusperren (und die sind ziemlich klein in den ehemaligen Gendarmeriegebäuden) und erst dann wieder aufzumachen, wenn ein Ergebnis gefunden wurde. Und siehe da, um 10.55 Uhr waren die Namen bekannt und wir konnten die Gründung vollziehen. Das war vor 20 Jahren…
Was hat sich seither geändert? Das 20. Jahrhundert gehört der Geschichte an. Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts ist fast auch schon Geschichte. Wir haben den Fall der Mauer in Berlin erlebt. Wir haben wirtschaftliche Blüte- und Krisenzeiten gekannt. Denken wir nicht nur an die jetzige Krise, denken wir etwa an die famose Blase der Kommunikationstechnologien vor einigen Jahren. Wir haben vor allem erlebt, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung in Ostbelgien weiter vorwärts bewegt hat, auf einem immer besser werdenden Niveau. Dazu hat die OBI in den letzten Jahren auch einiges beigetragen. Natürlich sollte auch niemand der Meinung sein, die OBI wäre eine Art Geheimformel, die mit ihrem wunderbaren Zauberstab der Beteiligung oder Finanzierung alles automatisch in Erfolg umwandeln kann. Nein, dem ist nicht so!
Gerade in der sehr feingliedrigen Wirtschaftsstruktur unserer Region ist die Möglichkeit, durch den Zugriff auf Risikokapital Hebeleffekte zu erzielen und Finanzierungen möglich zu machen, etwas besonders Wichtiges. Dies hat in den vergangenen Jahren – wie wir aus den Darstellungen vorhin erfahren konnten – auch ganz hervorragend geklappt. Dass es auch Situationen gegeben hat, wo sich die Intervention letztlich nicht als erfolgreich erwiesen hat, ist etwas, das unlösbar mit dem Konzept des Risikokapitals verbunden ist.
Das Risiko ist schon etwas sehr spezielles. Viele wollen es ergreifen aber keiner will es wirklich erleiden, dennoch ist und bleibt Risiko die Bugwelle des Erfolgs. Wer voran kommen will, muss Risiken eingehen. Ein Schiff, das nur im Trockendock liegt oder im Hafen bleibt, wird keine Fische fangen. Nein, ein Schiff muss sich schon Wind und Wellen aussetzen, auch den Gefahren, die damit verbunden sind. Allerdings bedarf es schon einer Begrenzung der Risiken. Man sollte hier jene Kapitäne ans Ruder stellen, die das Kapitänspatent gemacht haben und die einigermaßen wissen, was sie ihrem Kahn zutrauen können. All das gehört dazu im Wirtschaftsleben.
Ein österreichischer Soziologe hat einmal zu Recht gesagt: „Das größte Risiko unserer Zeit liegt vielleicht darin, dass so viele Angst vor dem Risiko haben.“ Zum Risiko gibt es noch einen anderen sehr schönen Spruch, der vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten stammt: „Es darf doch wohl nicht sein, dass man für eine pfiffige Idee keinen Kredit bekommt, wohl aber für das Grundstück seiner Großmutter“. All das umschreibt so in etwa die Spannweite dessen, was Risiko bedeutet. Ich möchte an dieser Stelle noch ein weiteres Zitat anbringen, das von einem großen Unternehmer stammt, der vor einigen Tagen gestorben ist – von dem Gründer der Bertelsmann-AG, Reinhard Mohn. Der hat mal zu Recht gesagt: „Wahrscheinlich ist die Ablehnung eines Risikos für ein Unternehmen sehr oft das größte Risiko überhaupt.“
All das gehört zum Alltag der Ostbelgieninvest. Ich wage die Prognose: Es wird auch in Zukunft noch Investitionen der Ostbelgieninvest geben, die letztendlich nicht zum Erfolg führen. Wichtig ist, dass deren Zahl möglichst beschränkt bleibt, aber dass es immer wieder möglich ist, auch durch risikoreiche neue Ideen voranzukommen und die Wirtschaftsstruktur in unserer Region zu stärken. Da liegt die große Aufgabe, auch die strategische Bedeutung der Ostbelgieninvest. Die Ostbelgieninvest erlaubt es, in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, in Ostbelgien, und auch in den angrenzenden Grenzregionen (auf deren Gebiet die Zuständigkeit vor einigen Jahren sinnigerweise erweitert wurde) dazu beizutragen, dass sich bestehende Wirtschaftsunternehmen sinnvoll erweitern können, dass Existenzgründer ihre Unternehmung aufbauen können und dass die Zukunft unserer Region auch weiterhin von wirtschaftlichem Erfolg geprägt sein wird.
Da hat die Ostbelgieninvest eine große Aufgabe. Diese Aufgabe ist auch sehr eng mit dem verbunden, was an Entwicklungsstrategie seitens der Deutschsprachigen Gemeinschaft vorgeschlagen und umgesetzt wird. Wenn wir uns das Regionale Entwicklungskonzept anschauen, das im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht wurde und die Grundlage der Regierungsarbeit der vor kurzem gestarteten Legislaturperiode ausmacht, wird man viele Schnittstellen finden, an denen das Wirken der Ostbelgieninvest sich sinnvoll verzahnen kann mit dem, was die Deutschsprachige Gemeinschaft insgesamt aus unserer Gegend zu machen versucht.
Diese Schnittstelle gab es auch schon in der Vergangenheit. Eine der wesentlichen Studien, mit vielen Langzeitwirkungen, die hierzulande durchgeführt worden sind, ist die Arthur D-Little–Studie. Diesen Betrieb gibt es zwar gar nicht mehr, aber die Studie hat eine positive Wirkung gehabt – das ist ähnlich so wie mit Napoleon. Diese AdL-Studie, Anfang der 90er Jahre, hat es uns erlaubt, eine Positionierung der Wirtschaftsförderinstrumente in Ostbelgien vorzunehmen. Daraus ist damals in enger Zusammenarbeit zwischen der Ostbelgieninvest, der Industrie- und Handelskammer und der DG die Wirtschaftsförderungsgesellschaft entstanden. Dass zwischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft und Ostbelgieninvest ein sehr enger inhaltlicher Zusammenhang besteht, das brauche ich hier nicht besonders zu unterstreichen. Das beweist auch schon sehr sichtbar die Bürogemeinschaft, die ja auf die ein oder andere Weise immer seit Beginn bestanden hat.
Le rôle stratégique de l’Invest des Cantons de l’Est se révèle encore dans un autre domaine, celui des relations entre la Communauté germanophone et la Région wallonne. Ces relations sont d’une nature très particulière parce que la Région wallonne et la Communauté germanophone ont aussi de commun qu’elles exercent des compétences différentes sur un même territoire, celui de la région de langue allemande. Et une pareille situation est évidemment toujours un défi parce qu’il y a un grand intérêt à réaliser un maximum d’effets de synergies. L’accord de coopération de 1998 de même que la décision de la Région wallonne à l’époque de créer l’Invest des Cantons de l’Est et ensuite de la recapitaliser à plusieurs reprises est évidemment un élément très fondamental de cette stratégie de coopération.
Mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft verbindet die Ostbelgieninvest übrigens noch ein weiterer fast schon schicksalhafter Aspekt. Wer den Aussagen meiner Vorredner hier genau zugehört hat, der wird mehrmals den diskreten Hinweis darauf verstanden haben, dass die Ostbelgieninvest wegen ihrer Kleinheit so einige besondere Probleme hat, die etwas mit Skaleneffekten zu tun haben. Das stimmt. Die Ostbelgieninvest ist mit Abstand die kleinste Invest in der Wallonischen Region und hat es deshalb besonders schwer, den Grundstock an Intendanz aufzubauen, den man braucht, um erfolgreich und professionell arbeiten zu können. Das ist kein einfaches Problem. Das ist sogar ein äußerst schwieriges… Ich weiß nicht, ob das den Verantwortlichen der Ostbelgieninvest wirklich ein Trost sein kann, aber ich kann Ihnen versichern, dass dieses Problem in unvorstellbar größerem Ausmaße (unvorstellbar ist jetzt leicht übertrieben, denn ich möchte Ihrem Vorstellungsvermögen schon einiges zutrauen können) – dass also die Deutschsprachige Gemeinschaft dieses Problem in bedeutend größerem Ausmaße selbst jeden Tag, dauernd, unentwegt, seitdem es gibt, und so lange es sie geben wird, erfährt. Das ist unser Schicksal! Das ist das Schicksal aller kleinen Einheiten. Mit dem kann man hadern, wie mit jedem Schicksal, aber es ist für das eigene seelische Gleichgewicht bedeutend einfacher, besser und wohl auch vernünftiger, sich damit abzufinden. Daran kann man nichts ändern. Damit muss man fertig werden. Damit kann man fertig werden!
Es gibt viele Möglichkeiten, die neben den zahlreichen Vorteilen der Kleinheit auch effektiv vorhandenen Nachteile auszuheben, zu umgehen, ja manchmal sogar in Trümpfe umzuwandeln, wenn man die Dinge richtig anpackt – u.a. indem man resolut, konsequent und systematisch auf Zusammenarbeit setzt, Synergien sucht – auch da, wo sie vielleicht auf den ersten Blick noch gar nicht so evident sind. Da ist die Ostbelgieninvest sehr stark. Da muss sich auch die Deutschsprachige Gemeinschaft jeden Tag beweisen, aber da sollten wir auch keine falschen Komplexe haben.
Ein sehr bedeutender europäischer Politiker sprach gestern in Straßburg auf einer Rede davon, dass eigentlich nichts so klein sein kann, dass es nicht erfolgreich wäre. Man soll sich sowohl mit den großen Dingen beschäftigen als auch mit den kleinen (dabei sollte man etwas Kleines jedoch niemals für all zu groß halten oder umgekehrt). Wichtig ist, dass man seine Situation realistisch einschätzt und dann mit den vorhandenen Möglichkeiten konsequent arbeitet und das Beste daraus macht.
All das ist der Ostbelgieninvest in den letzten 20 Jahren, bei allen Höhen und Tiefen, bei allen Schwierigkeiten, aber vor allem auch mit sehr vielen Erfolgen immer wieder gelungen. Das sollte uns optimistisch stimmen. Da liegt noch sehr viel Potential. Da wird in Zukunft – davon bin ich fest überzeugt – auch noch manche Erfolgsstory ihren Anfang nehmen.
Erlauben Sie mir am Ende meiner Ausführungen, Ihnen allen, die Sie sich in den letzten 20 Jahren an der Ostbelgieninvest beteiligt haben, die in ihr an verantwortungsvoller oder auch an einfacher Mitgliedsstelle mitgewirkt haben, Ihnen allen, die Sie als Präsidenten, Geschäftsführer, Mitarbeiterin oder Mitarbeiter tätig waren, an dieser Stelle im Namen der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft herzlich zu danken. Das ist eine wichtige Arbeit. Wir schätzen diese Arbeit außerordentlich. Wir hoffen, dass wir sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auch in der Zusammenarbeit erfolgreich fortsetzen können.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!