Ansprache des Festaktes zum Tag der Deutschsprachigen Gemeinschaft in St. Vith
13/11/2009
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Anrede,
Werte Festversammlung,
im Laufe des vergangenen Jahres haben wir zu zahlreichen Anlässen auf ein Vierteljahrhundert DG mit Gesetzgebungshoheit und eigener Regierung zurückblicken können.
Anlässlich des Empfanges zum Tag der DG am 14. November 2008 in Eupen, hatte ich Sie und die gesamte Bevölkerung eingeladen, sich aktiv an den Jubiläumsveranstaltungen zu beteiligen.
Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger unserer Heimat haben dieser Einladung Folge geleistet und die „Nacht der offenen Institutionen“, den Weltrekord beim Singen der Nationalhymne oder die zahlreichen Tagungen zu gemeinschaftsrelevanten Themen dazu genutzt, die DG – ihre, unser aller Gemeinschaft – näher kennenzulernen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Vielen ist dabei sicherlich noch mehr als bisher bewusst geworden, welche rasante Entwicklung die DG seit 1973 und vor allem ab 1984 erlebt hat, wie breit das Spektrum der von der DG erbrachten oder finanzierten Dienstleistungen mittlerweile geworden ist und welche konkrete Bedeutung diese Dienstleistungen – vielfach unbemerkt – in ihrem Alltagsleben und dem ihrer Familien spielen.
Außerdem – und dies ist insbesondere in Krisenzeiten von nicht unerheblicher Bedeutung – sichern die Tätigkeiten der Gemeinschaft mehr als 4.000 Menschen hierzulande einen stabilen Arbeitsplatz.
Die Aufrechterhaltung all dieser Dienstleistungen und der damit verbundenen Arbeitsplätze führt in den kommenden Jahren notwendigerweise wegen der krisenbedingten Mindereinnahmen zu einer Neuverschuldung, die jedoch nur dann vertretbar bleibt und künftige Handlungsspielräume offen lässt, wenn sie mit Sparmaßnahmen einhergeht.
Dies ist ein schwieriger Spagat, aber er ist unausweichlich, wenn die DG kurz-, mittel- und langfristig handlungsfähig bleiben soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Aufbauleistungen der vergangenen 25 Jahre und übrigens auch die der Zeit davor ab 1973 können sich sehen lassen und dürfen uns alle mit berechtigtem Stolz erfüllen.
Genau wie die Auszeichnung „Europäische Region des Jahres 2004“ war auch der unserer Gemeinschaft vor 2 Wochen in Kassel verliehene „Kulturpreis Deutsche Sprache“ ein unübersehbares Zeichen der Wertschätzung, die der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens auch außerhalb der Grenzen unseres Landes entgegen gebracht wird.
Auch bei der im November 2007 gestarteten und nun zu Ende gehenden Runde durch Belgien und unsere Nachbarregionen ist der DG seitens der rund 6.000 Besucher viel Freundschaft und Sympathie entgegen gekommen.
Wir sollten dies alles jedoch nicht überbewerten und auf keinen Fall dabei vergessen, dass der Bekanntheitsgrad der DG noch lange nicht das für ihre dauerhafte Positionierung notwendige Niveau erreicht hat.
Auch darf uns Lob von außen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Identifikation mancher Ostbelgierinnen und Ostbelgier mit ihrer DG weiterhin ungenügend ist und dass es noch erheblicher Überzeugungsarbeit bedarf, um die Deutschsprachige Gemeinschaft definitiv als Träger positiver Zukunftserwartungen und zusätzlicher Lebenschancen in den Köpfen und Herzen der Menschen unserer Heimat definitiv zu verankern.
Dies ist eine wichtige, ja die Aufgabe schlechthin, der wir uns alle und insbesondere die Institutionen unserer Gemeinschaft in den kommenden Jahren stellen müssen.
Die Weichen zur erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderung sind zu Beginn dieses Jahres gestellt worden, als unter aktiver und reger Beteiligung von rund 350 Bürgerinnen und Bürgern das Regionale Entwicklungskonzept für die DG erarbeitet worden ist.
Dieses Dokument zeichnet ein attraktives und zukunftsträchtiges Bild für die weitere Entwicklung unserer Gemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten und deutet auf der Grundlage einer umfangreichen Stärken-Schwächen-Analyse die wichtigsten Trumpfkarten an, die wir dabei aufspielen können.
Wenn es uns gelingt, diese Perspektiven in schlagkräftige und wirksame Aktionspläne umzusetzen, braucht es uns um unsere Zukunft als Grenz-, Wirtschafts-, Bildungs-, Solidar- und Lebensregion nicht bange zu sein.
In ihrer gemeinschaftspolitischen Erklärung vom 15. September 2009 hat die Regierung das Leitbild und die strategischen Aussagen des Regionalen Entwicklungskonzeptes in 16 Zukunftsprojekte einfließen lassen, deren Verwirklichung sie sich für die neue Legislaturperiode vorgenommen hat und deren konkrete Umsetzungspläne sie im Frühjahr 2010 vorstellen wird.
- Ob es sich nun um den gerechteren Zugang zur Bildung, um das Festlegen von Bildungsstandards, um das „learning by doing“ oder um die Jugend als Zukunftsträger handelt;
- ob es die Gesundheit zu sichern, die Sozialdienste Hand in Hand arbeiten zu lassen oder die Vielfalt zu gewährleisten gilt;
- ob Zusammenleben gestaltet, Landschaft bewahrt oder Ostbelgien genossen wird;
- ob wir mit der Natur wirtschaften, Innovation stimulieren oder ein Bündnis für Wirtschaft und Arbeit bewerkstelligen wollen;
- ob wir Grenzen überschreiten, Grenzen leben oder miteinander wirken möchten;
Eines ist diesen 16 Zukunftsprojekten gemeinsam:
Sie wollen resolut Zukunft gestalten und konsequent Wege in eine innovative, nachhaltige und offene Gemeinschaft aufzeigen.
Doch was bedeutet eigentlich innovativ, nachhaltig und offen?
Innovativ: Die Bereitschaft zur Erneuerung ist eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Zukunftsgestaltung.
Selbst das Bewahren von Bewährtem ist ohne Innovation oft nicht möglich.
Und auf neue Herausforderungen müssen neue Antworten gefunden werden.
Aber das Beschreiten neuer Wege schafft auch Ungewissheit und Angst.
Auch damit müssen wir verständnisvoll und richtig umgehen.
Nachhaltig: Wir dürfen heutige Probleme nicht auf Kosten zukünftiger Generationen lösen.
Das delikate Gleichgewicht zwischen Umwelt, Wirtschaftlichkeit und sozialer Gerechtigkeit ist nicht immer einfach zu erreichen, aber keineswegs unmöglich.
Der verantwortungsbewusste Umgang mit den begrenzten Ressourcen unseres Planeten darf nicht das Opfer der sich zunehmend als unbegrenzt erweisenden Möglichkeiten menschlicher Kreativität werden.
Vielmehr sollte diese Kreativität bewusst in den Dienst der Nachhaltigkeit gestellt werden.
Offen: Gerade für die kleine Deutschsprachige Gemeinschaft ist Offenheit von ganz besonders großer Bedeutung.
Nichts wäre für unsere Gemeinschaft verhängnisvoller als ein „Sich Abschotten“, ein „Nur um den eigenen Bauchnabel Kreisen“ oder ein Verzicht auf ein breit angelegtes Netz an Partnerschaften mit unseren unmittelbaren Nachbarn, mit den anderen belgischen Gliedstaaten und mit Partnerregionen anderswo in Europa.
Der weitere und systematische Aufbau solcher Partnerschaften und die Einbindung in multilaterale Kooperationsverbünde sind lebens-, ja überlebensnotwendig, wenn die DG ihre Zukunftspositionierung erfolgreich hinbekommen und ihre oft zitierte Bindegliedfunktion mit Leben erfüllen will.
Wir dürfen in der Tat niemals vergessen, dass die DG aufgrund ihrer bescheidenen Größe für die effiziente und angepasste Wahrnehmung ihrer Befugnisse zwar oft auf kurze Wege und große Bürgernähe setzen kann, wegen mangelnder Skaleneffekte aber auch immer wieder auf Kooperation angewiesen ist.
Dies sind zwei Seiten derselben Medaille!
Werte Festversammlung,
nach 2005 in Bütgenbach, 2006 in Lontzen, 2007 in Büllingen und 2008 in Eupen findet die ostbelgische Veranstaltung zum Festtag der DG in diesem Jahr in St. Vith statt.
2013 wird sie einmal in jeder Gemeinde des deutschen Sprachgebietes Halt gemacht haben.
Auf diese Weise soll der Festtag der DG und die dazugehörige Symbolik noch näher an die Menschen unserer Gegend herangetragen werden.
Ohnehin erweisen sich die Nähe zur Bevölkerung ebenso wie die Optimierung der Aufgabenteilung zwischen Gemeinschaft und Gemeinden mit zunehmender Autonomieerfahrung als entscheidende Stärke und wesentlicher Schlüssel zu erfolgreicher Politikgestaltung in unserem Kleingliedstaat DG.
Deshalb wird es auch bei der Verwirklichung des Regionalen Entwicklungskonzeptes ganz entscheidend auf die Einbeziehung aller interessierter Einrichtungen und Personen sowie auf die Zusammenarbeit zwischen Gemeinschaft und Gemeinden ankommen.
Wie wichtig, richtig und erfolgreich diese Zusammenarbeit sein kann, lässt sich ganz besonders anschaulich an der Infrastruktur veranschaulichen, in der wir uns heute befinden.
Das Triangel sowie das angegliederte Dienstleistungszentrum dokumentieren in eindrucksvoller Weise den Mehrwert, den eine konsequente, ambitiöse und von gegenseitigem Vertrauen geprägte Partnerschaft zwischen der DG und einer Gemeinde schaffen und bewirken kann.
Bei der weiteren Umsetzung des Regionalen Entwicklungskonzeptes wünscht sich die Regierung ähnliche Synergien mit allen anderen Gemeinden unserer Gemeinschaft und eine untereinander genau abgesprochene Vorgehensweise, die zu einer optimalen Komplementarität zwischen den zu verwirklichenden Leuchtturmprojekten ostbelgischer Politikgestaltung führt.
Wir sind zu klein, um uns zu verzetteln und wir sind erwachsen genug, um überflüssige Eifersüchteleien erst gar nicht entstehen zu lassen.
Und wir sollten uns vor allem eines bewusst sein und uns merken:
Niemand ist zu klein, um Großes zu leisten!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.