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Das Warten hat ein Ende


Es ist soweit: Die Mehrheiten in Flandern, Brüssel, der Französischen Gemeinschaft sowie der Wallonischen Region sind nun auch gebildet und die entsprechenden Regierungsprogramme liegen vor.

Letztere sind gleich aus doppelter Sicht von Interesse für die DG. Auf der einen Seite bilden sie die Grundlage der Zusammenarbeit mit den anderen Gemeinschaften und Regionen. Und diese Kooperation können und möchten meine Ministerkollegen und ich selbst auch in den kommenden Jahren nicht verzichten. Denn vieles können wir nur im Schulterschluss mit unseren flämischen und frankophonen Partnern verwirklichen.

Die Koalitionsvereinbarungen und Regierungsprogramme sind nicht nur die Basis der Zusammenarbeit. Sie sind nicht selten auch eine Ideenquelle, aus der wir schöpfen und mitunter interessante Ansätze für die eigene Politikgestaltung in der DG entdecken können. Derzeit ist es zum Beispiel wichtig zu analysieren, wie die übrigen Gliedstaaten mit den haushaltspolitischen Konsequenzen der Finanz- und Wirtschaftskrise umgehen. Dieser Blick über den Tellerrand hat sich schon so manches Mal bewährt, weil er uns davor bewahrt hat, nur unser eigenes Süppchen zu kochen oder die anderenorts begangenen Fehler zu wiederholen.

Dass die Koalitionsvereinbarung auf Ebene der Wallonischen Region in unseren Breitengraden auf ein gesteigertes Interesse stößt, dürfte wohl niemanden überraschen. Ich habe das 264 Seiten umfassende Dokument konsultiert und selbstverständlich den Passus bezüglich der Beziehungen zur Deutschsprachigen Gemeinschaft sowie die anderen Passagen, in denen die DG erwähnt wird, ganz besonders aufmerksam gelesen – und mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil ich mich genau wie andere ostbelgische Parteien, die den wallonischen Mehrheitsparteien nahe stehen, in den vergangenen Wochen regelmäßig darum bemüht habe, die wallonischen Verhandlungsdelegationen an die im hiesigen Allparteienkonsens festgehaltenen Forderungen der DG zu erinnern.

So freue ich mich, dass die Mehrheitspartner in Namur die Bereitschaft zeigen, die bestehende Zusammenarbeit mit der DG zu vertiefen und weitere Anstrengungen bei der Behebung der Mängel hinsichtlich der korrekten Anwendung der Sprachengesetzgebung zu unternehmen. Genauso sehr freut es mich, dass die wallonische Regionalregierung im Rahmen der föderalen Staatsreform die Forderung der Deutschsprachigen nach einer garantierten Vertretung in der Abgeordnetenkammer unterstützt.

Nicht minder zuversichtlich stimmt mich die Ankündigung, dass die wallonische Regierung bereit ist, in dieser Legislaturperiode konkrete Verhandlungen zur Übertragung neuer Kompetenzen in Anwendung des Art. 139 der Verfassung in Angriff zu nehmen. Während es bei der Raumordnung und dem Wohnungsbau darum geht, die gewonnenen Erkenntnisse aus den Vorarbeiten umzusetzen und die Modalitäten sowie nicht zuletzt die mit der Übertragung verbundenen Finanzmittel festzulegen, sieht die Situation bei den Provinzzuständigkeiten etwas anders aus. Hier müssen wir beim Umsetzen unserer Forderungen der ins Auge gefassten Reform der Provinzen Rechnung tragen. Diese soll in zwei zeitlich getrennten Etappen erfolgen:  Während in einer ersten Phase eine Anpassung der jetzigen Struktur und Zuständigkeiten erfolgen soll, wird in einer zweiten Phase, d.h. nach der dazu notwendigen Verfassungsreform, die Schaffung neuer Strukturen anvisiert. Wir haben alles Interesse daran, schon im Verlauf der ersten Phase Fortschritte bei der Umsetzung unserer Forderungen zu erzielen.

In ihren jeweiligen Regierungsprogrammen haben Flamen, Wallonen und Brüsseler auch die Weichen für die institutionelle Zukunft Belgiens gestellt. Wer die entsprechenden Textpassagen aufmerksam liest, kommt unweigerlich zu der Erkenntnis, dass zwar niemand seine grundsätzlichen Standpunkte aufgibt, aber alle ihre taktischen Positionen neu definiert haben. Für uns bedeutet das, dass wir die neue Situation aufmerksam analysieren und uns darauf einstellen müssen, um zu gegebener Zeit unsere Forderungen vortragen zu können. Die weitere Vorgehensweise der DG möchte ich im Rahmen eines Allparteiengesprächs mit allen im PDG vertretenen Parteien nach der Sommerpause absprechen.

Karl-Heinz Lambertz
Ministerpräsident