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Startklar für die neue Sitzungsperiode!


Es ist wieder soweit, die ersten Bäume verlieren allmählich ihre Blätter. Es wird wieder kühler und etwas ruhiger in der Stadt und auf dem Land. Die Urlauber sind zurückgekehrt und nehmen ihre Arbeit wieder auf. Die Schulen öffnen ihre Pforten und heißen alte und neue Gesichter willkommen.

Auch das Parlament meldet sich aus der Sommerpause zurück und nimmt seine politische Arbeit wieder auf. Die Zeit der körperlichen und geistigen Erholung ist nun vorbei. Große Aufgaben und Herausforderungen stehen an, denn politisch gesehen war dieser Sommer alles andere als „erholsam“ oder gar „spannungsfrei“.

Bei den Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung sind Flamen und Frankophone vorerst noch zu keinem Ergebnis gekommen, auch wenn im Vergleich zu den Blockaden der letzten Jahre schon erhebliche Fortschritte erzielt worden sind. Ich hoffe inständig, dass alle Partner einsehen werden, dass die Zusammenarbeit nur funktionieren kann, wenn jeder auf den anderen zugeht und ein Klima des gegenseitigen Vertrauens geschaffen wird. Es ist wie schon so oft der berühmt-berüchtigte „Compromis à la Belge“, der eine Einigung in der gegenwärtigen Situation hervorbringen muss.

Auf jeden Fall werden sich die Rahmenbedingungen für unsere Gemeinschaft in den kommenden Monaten und Jahren grundlegend ändern. Im Falle einer Einigung kommt es zu einer Staatsreform, welche die DG genau wie die anderen Gemeinschaften und Regionen vor völlig neue Herausforderungen stellt.  Sollten Flamen und Frankophone keine gemeinsame Regierung bilden können, käme es zu einer schweren Staatskrise, die letztlich sogar das Weiterbestehen des belgischen Staates gefährden könnte.

Für beide Fälle benötigen wir verschiedene Optionen. Einfach wird es auf keinen Fall für die DG. Zwar heißt es allgemein im Volksmund „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.“, aber unsere kleine DG ist nicht wirklich der Dritte im Bunde der Streithähne und möchte auch keine Schiedsrichterrolle spielen. Historisch gesehen waren es der Versailler Vertrag und die Umwandlung Belgiens in einen Bundesstaat, die uns diesen Platz im belgischen Staatsaufbau beschert haben. Beim Festlegen der Spielregeln spielen wir als Minderheit lediglich eine kleine Nebenrolle, aber wir wollen als gleichberechtigter Partner behandelt werden.  Wir sind bereit, gewillt und in der Lage, alle Zuständigkeiten und Verantwortungen zu übernehmen, die das neue belgische Bundesstaatsmodell den Gemeinschaften und Regionen zuweist.  In diesem Sinne setzen wir uns ohne wenn und aber für ein Belgien zu viert ein: Flamen, Wallonen, Brüsseler und Deutschsprachige.

Ähnlich wie der unscheinbare Triangelspieler in einem Konzert, müssen wir auf den richtigen Zeitpunkt warten und dann unseren Part selbstbewusst übernehmen. Auch wenn die Rolle des Triangelspielers von einigen unterschätzt wird, seine Bedeutung für das Konzert ist durchaus wichtig.  Wenn er zu früh oder zu spät auf seinem Instrument spielt, fällt das sofort auf und stört den Ablauf erheblich.

In den kommenden Tagen, Wochen und Monaten gilt es die Entwicklung der Verhandlungen genau zu beobachten und auf den richtigen Moment für unseren Einsatz zu warten. Doch beobachten allein reicht nicht. Trotz der geringen Größe der DG dürfen wir gerade in turbulenten Zeiten nicht im Stillstand verharren.  Wir müssen bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Dieser Verantwortung ist sich die Regierung bewusst. Ich denke dabei insbesondere an den Umgang mit den Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Haushalt der DG. Die Auswirkungen der Krise sind immer noch spürbar, doch durch einen gemäßigten Sparkurs können wir gleichzeitig Niveau und Qualität der von der DG erbrachten Dienstleistungen gewährleisten und die krisenbedingte Neuverschuldung auf ein Minimum reduzieren.  Das ist ein keineswegs einfacher Spagat und stellt uns vor große Herausforderungen.  Es gilt – wie so oft – den goldenen Mittelweg zu finden.

In diesen Krisenzeiten muss die DG durch stürmische Gewässer und dichte Nebelbänke navigieren.  Dass dies nicht leicht ist, dürfte jedem Menschen bewusst sein, der schon einmal im Nebel des Unbekannten den richtigen Pfad gesucht hat. Und was tut man, wenn es nebelig ist? Der menschliche Erfindergeist ist gefragt, der uns wie ein Leuchtturm den richtigen Weg weist.

Das Regionale Entwicklungskonzept könnte dieser Leuchtturm sein, denn es enthält ein Leitbild für die zukünftige Entwicklung unserer Heimat, eine Vision für die Gemeinschaft, die sie über mehrere Legislaturperioden hinweg prägen wird. In einem ersten Umsetzungsprogramm schlägt die Regierung 16 Zukunftsprojekte mit insgesamt 428 Arbeitschritten vor, die in gemeinsamen Gesprächen mit zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern aller Gemeinden der DG erarbeitet wurden und die es nun tatkräftig zu verwirklichen gilt.

Es gibt also noch einiges zu tun, packen wir es an – wir sind startklar!

Karl-Heinz Lambertz
Ministerpräsident