Einführung von Ritter Yves Noël in sein Amt als Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens
Eupen, 27. April 2011
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Exzellenz,
lieber Prof. Bettzuege,
sehr geehrter Herr Ritter Noël,
verehrte Frau Noël,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
erlauben Sie mir, dass ich mich zuallererst dafür entschuldige, dass ich die Ursache der etwas längeren Verspätung war. Ich war heute Vormittag auf einer Arbeitssitzung als Delegationsmitglied des Europarates in Madrid mit dem dortigen Vizepremierminister. Das hatte auch alles ganz toll geklappt – außer dass der Abflug eine Stunde Verspätung hatte. Das ist natürlich immer etwas lästig – vor allem dann, wenn man so pünktlich ankommen möchte. Das Ganze hatte jedoch auch einen Vorteil: Ich habe im Flugzeug meine Rede vorbereiten können.
Ich kann Ihnen zumindest versprechen, dass sie etwas kürzer wird. Je besser eine Rede vorbereitet wurde, je kürzer fällt sie meistens aus. Außerdem ist das für mich hier heute eine echte Premiere. Ich habe noch nie vor dem Wappen der Bundesrepublik Deutschland gesprochen und möchte auch nicht, dass das missverstanden wird, weder von Ihnen noch von irgendeinem Leserbriefschreiber, der das Foto in der Zeitung sicherlich kommentieren wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
nach der Republik Österreich, bezeichnet heute zum zweiten Mal ein Staat einen Honorarkonsul, dessen Amtsgebiet – nennen wir es auch Sprengel – sich ausschließlich auf die DG, oder auf Ostbelgien, bezieht. Wir sind der Bundesrepublik Deutschland zu großem
Dank verpflichtet, dass sie diese Entscheidung getroffen hat. Wir werten sie auch als ein Zeichen – ein wichtiges Zeichen – aber auch eines, das es zu interpretieren gilt. Warum? Ein Zeichen hat immer einen Sender und einen Empfänger. Mir obliegt es heute Abend nicht etwas über den Sender zu sagen. Das wird Seine Exzellenz der Botschafter Bettzuege nachher ganz offiziell mitteilen. Ich möchte diese Entscheidung aus der Sicht des Empfängers, der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, kommentieren.
Es gibt gute Gründe für die Bundesrepublik Deutschland – genau wie die Republik Österreich – hier in der Deutschsprachigen Gemeinschaft einen Honorarkonsul zu bezeichnen. Diese Gründe sind gleichermaßen praktischer, symbolischer – ja man kann durchaus auch sagen – und politischer Natur.
Fangen wir mit dem Praktischen an, so wie es sich gehört. Auch in Zeiten elektronischer Kommunikation spielen Honorarkonsuln immer noch eine wichtige Rolle. Vielleicht sogar mehr noch als zuvor, denn gerade weil so viel Kommunikation jetzt über Bytes und sonstigen Dinge läuft, ist der persönliche Kontakt etwas, was wichtig bleibt, ja – davon bin ich zutiefst überzeugt -, was immer wichtiger werden wird.
In der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens leben sehr viele Menschen mit einem Deutschen Pass. Am 1. Januar 2008 (das ist die letzte offizielle Zahl, die uns vorliegt) waren es deren 11.255 (die offiziösen Zahlen nähern sich jetzt schon fast der Zwölftausendmarke). Wenn man von knapp 75.500 Einwohnern des Gebietes deutscher Sprache ausgeht, wovon insgesamt 15.000 einen ausländischen Pass haben, sind 12.000 eine ganz beachtliche Anzahl Bürger. Wer also nach Prozenten für einen hohen Anteil ausländischer Bevölkerung sucht, der wird hier in Ostbelgien sicherlich fündig werden, noch mehr als anderswo in unserem schönen Land.
Wenn so viele Menschen aus der Bundesrepublik hier leben, sich hier niedergelassen haben, dann gibt es auch durchaus praktische und materielle Gründe, die dafür sprechen, hier einen Honorarkonsul zu bezeichnen. Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass ich das nicht als die wichtigste Dimension dieser Bezeichnung ansehe. Es ist der praktische Unterbau. Der Überbau ist natürlich die Symbolik und die politische Bedeutung.
Durch diese Bezeichnung verdeutlicht die Bundesrepublik Deutschland, dass sie die Stellung und die Rolle der Deutschsprachigen Gemeinschaft im belgischen Bundesstaat auf eine besondere Art und Weise würdigen möchte. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens – unabhängig aller Unterschiede bei den Größenordnungen – ein ganz besonders starker und partnerschaftlicher Bezug besteht. Ich denke auch, dass wir – ohne angeben zu wollen – diese Bezeichnung ebenfalls etwas werten können, als eine Anerkennung der Bindegliedfunktion, die die Deutschsprachige Gemeinschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Belgien wahrzunehmen sich immer wieder anschickt, und auch systematisch noch weiter in Zukunft vorantreiben will.
Ich weiß nicht, ob Sie sich diese Frage stellen, aber ich bin mir ganz bewusst, es gibt in Ostbelgien viele Menschen, die sich die Fragen stellen: Braucht die DG das eigentlich? Braucht die DG besondere Honorarkonsuln? Braucht sie überhaupt Kontakte zu den in Belgien akkreditierten Botschaftern? Braucht sie besondere Beziehungen zu ausländischen Staaten oder Regionen in Brüssel, Berlin oder sonst wo? Braucht sie überhaupt Außenbeziehungen? Diese Fragen sind keineswegs rhetorisch, auch wenn sie für jeden, der mit der Alltagswirklichkeit der Deutschsprachigen Gemeinschaft, dreißig Jahre nach Einrichtung der jetzigen Autonomie, vertraut ist, wirklich als rhetorisch angesehen werden muss. Wir müssen Verständnis dafür haben. Wir haben Verständnis dafür, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich die Frage stellen: Wozu ist all dieses Aufbauen von Kontakten
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eigentlich gut? Was bringt uns das? Sie wissen ja, die Ostbelgier sind sehr pragmatische Menschen. Sie wollen bei jedem Aufwand immer auch sehen, was das bringt. Nun kann man natürlich bei einem Honorarkonsul davon ausgehen, dass er eine Ehrenamtsfunktion ausübt. Das würde also uns viel bringen, aber ihm vor allem etwas kosten, aber ganz unabhängig davon ist natürlich diese Funktion ein Teil eines Räderwerkes, nämlich dieses Räderwerkes der Außenbeziehungen im Allgemeinen und der Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland im Besonderen. Ich möchte auch auf die Fragen: Brauchen wir diese Kontakte? Diese Netzwerke? Zuerst allgemein und dann mit dem besonderen Blick auf unserem Nachbarn, die Bundesrepublik Deutschland, hier etwas näher eingehen.
Autonom sein, eigene Gesetzgebungszuständigkeit besitzen, über Parlament und Regierung und den administrativen Unterbau verfügen, das heißt noch lange nicht, alles selbst machen zu müssen oder jeden Tag das Rad neu erfinden. Nein, sehen, verstehen und erleben, wie anderswo Probleme bewältigt werden und Herausforderungen gemeistert werden, das ist etwas äußerst wichtiges, wenn man aus einer Region wie der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine Einrichtung, eine Gebietskörperschaft, mit Zukunft machen möchte. Gerade weil wir klein sind, weil wir ein Kleingliedstaat sind, wie ich das immer gerne zu nennen pflege, gerade deshalb sind wir ganz besonders auf Zusammenarbeit angewiesen. Aber Zusammenarbeit ist kein Privileg der Kleinen. Das ist mir heute in Madrid noch einmal sehr deutlich geworden, wo wir ein Gespräch über die Rolle der Gemeinden und Regionen im Europa der 47 Staaten des Europarates hatten. Klein sein heißt vor allem, genau wissen, was man will, wohin man sich bewegt und dann dieses Ziel anzusteuern mit möglichst vielen Partnern, Freunden und Verbündeten. Das gilt für uns als Deutschsprachige Gemeinschaft natürlich zuallererst für die anderen belgischen Regionen und Gemeinschaften. Das gilt natürlich ganz besonders für unsere Nachbarn in der Euregio Maas-Rhein und in der Großregion Saar-Lor-Lux. Das gilt aber auch für viele andere Partner anderswo in Europa und ganz besonders im deutschsprachigen Ausland und im noch besonderen Maße in der Bundesrepublik Deutschland. Kommen wir nun zu dieser Bundesrepublik Deutschland.
Mit ihr verbinden uns Sprache und Kultur, aber auch ein ganz großes Stück unserer Geschichte. Wer heute den Artikel über das Staatsarchiv gelesen hat und dort die tollen Quellen gesehen hat, auf die man zurückgreifen kann, der wird – wenn er ein bisschen Sinn für Geschichte hat – feststellen, dass das meiste davon aus der Zeit vor 1920 datiert ist. Sprache, Kultur und Geschichte verbindet uns mit Deutschland. Mit Deutschland verbindet uns noch viel mehr, nämlich die konkret greifbare, fassbare Möglichkeit, einer fruchtbaren Zusammenarbeit in allen Bereichen unserer bisherigen Gemeinschaftsautonomie und sicherlich auch in den Bereichen, die uns in Zukunft zufallen werden, wenn sich denn die jetzige Diskussion in Brüssel irgendwann einmal mit einem Ergebnis auf einem Landeplatz befinden wird.
In Bildung und Kultur, bei der Standortsentwicklung, bei Innovation, Beschäftigung, Strukturwandel, Energieeffizienz oder Energieautarkie, wie wir es uns ja als Ziel gesetzt haben, bei all diesen Dingen, muss Zusammenarbeit ganz groß geschrieben werden. Wer davon etwas noch Näheres erfahren will, dem kann ich wirklich – zwar nicht zur Nachtlektüre – aber zur Lektüre dennoch, das rund dreihundertseitige Dokument des ersten Umsetzungsplanes zum Regionalen Entwicklungskonzept empfehlen. Dort werden Sie über 200 ganz konkrete Partnerschaften vorfinden, die wir für die 16 Zukunftsprojekte und 48 Teilprojekte dieses Umsetzungsprogramms bisher bereits identifiziert haben. Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie feststellen, dass bei den Partnern, die jetzt nicht innerbelgische Partner sind, die Partner aus der Bundesrepublik Deutschland mit Abstand den größten Anteil ausmachen.
Wir brauchen also diese Partnerschaft aus ganz egoistischen Gründen, weil wir auf diese Art und Weise unsere hiesigen Aufgaben besser wahrnehmen können. Wir haben aber auch die einzigartige Möglichkeit, nicht nur immer an uns selbst zu denken, sondern unsere Situation, unsere Lage, unsere Kontakte zu Deutschland und unsere Einbindung in den belgischen Staatsaufbau dazu zu nutzen, eine Bindegliedfunktion wahrzunehmen. Eine Bindegliedfunktion, die manchmal ein hohes Maß an interkultureller Kommunikationskompetenz voraussetzt, eine Bindegliedfunktion, die uns aber nur dann gelingen wird, wenn wir Deutschland nicht nur allgemein, sondern auch im Besonderen, im Detail, kennen. Wenn wir z.B. genau wissen, was an Vielfalt in diesem Bundesstaat mit seinen 16 Ländern vorhanden ist.
All das ist eine wichtige Chance für die Deutschsprachige Gemeinschaft. Daraus lassen sich interessante und übrigens mit hohem Mehrwert und hoher Wertschöpfung versehene Tätigkeiten ableiten. Diese Bindegliedfunktion ist neben dem eben genannten Eigeninteresse ein zweites wichtiges Argument, gerade mit der Bundesrepublik Deutschland besonders enge Kontakte zu pflegen.
Kurzum und ganz generell: Partnerschaften, innerbelgische Zusammenarbeit, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, interregionale Zusammenarbeit sind für die Deutschsprachige Gemeinschaft lebens- und auch überlebensnotwendig; gerade, wenn sie sich das Ziel setzt, dieser vierte belgische Gliedstaat zu werden, den wir ja gewillt, bereit und in der Lage sein wollen, im Rahmen der anstehenden Staatsreform auch mit Leben zu erfüllen. Da geht das Eine ohne das Andere nicht. Jeder, der die Dinge wirklich im Grunde untersucht, wird das sehr schnell einsehen. Vielen ist diese Einsicht sicherlich noch zu vermitteln, weil sie eben nicht tagtäglich mit diesem Thema konfrontiert werden, bei anderen, die sie eigentlich haben möchte, wird sie aus populistischen Gründen nicht so gesehen, wie ich sie jetzt im Namen der Regierung hier sehe, aber was soll’s… was richtig ist, bleibt richtig, auch wenn es nicht alle einsehen.
Nun bin ich bei Ihnen, Herr Noël, denn wenn ich von den Außenbeziehungen der Deutschsprachigen Gemeinschaft gesprochen habe und bei der Bundesrepublik Deutschland gelandet bin, wird natürlich auch die Rolle deutlicher, die ein Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland hier in der Deutschsprachigen Gemeinschaft spielen kann.
Ich möchte Ihnen dazu recht herzlich gratulieren. Es obliegt mir nicht, die Wahl der Bundesrepublik zu kommentieren, aber ich möchte Ihnen auf jeden Fall sagen, dass das vielleicht nicht unbedingt ein Geschenk zu Ihrem anstehenden 60. Geburtstag ist, denn es ist mit sehr viel Mehrarbeit verbunden. Das ist ja eigentlich nicht das, was man einem demnächst 60jährigen unbedingt als großes Geschenk auf den Tisch legt. Ich weiß, dass Sie es trotzdem mit Freude in Empfang nehmen werden. Ich weiß vor allem, dass Sie es mit sehr viel Können, Erfahrung und Engagement wahrnehmen werden. Sie haben in Ihrer beruflichen Laufbahn als Wissenschaftler und Unternehmer, als Mensch mit hohem gesellschaftlichem Engagement bewiesen, dass Sie einiges erreichen können. Sie sind noch derzeit für die Deutschsprachige Gemeinschaft an einer besonders wichtigen Stelle aktiv, nämlich an der Spitze der Ostbelgieninvest. Ich hoffe, dass wir in diesem neuen Amt, genau wie in anderen Funktionen in der Vergangenheit, gut, vertrauensvoll und vor allem erfolgreich zusammenarbeiten können.
Ich möchte übrigens ein ganz besonderes Wort des Dankes an Herrn Blaise richten, dem Honorarkonsul der Bundesrepublik, der bisher für das Gebiet deutscher Sprache mit zuständig war, der heute ja irgendwie ein Stück seines Einzugsbereiches verliert. Ich weiß aber, dass er das mit Freude macht, denn ich weiß von ihm, dass er mehr wie viele andere, die in Lüttich tätig sind, einsieht, dass es wichtig ist, die Autonomie der Deutschsprachigen
Gemeinschaft zu respektieren und sie in der adäquaten Form zu gestalten. Auf jeden Fall haben Sie in den Jahren, in denen Sie jetzt Honorarkonsul waren, auch für die Deutschsprachige Gemeinschaft hervorragende Arbeit geleistet haben und ich bin fest davon überzeugt, das wird in Zukunft auch noch der Fall sein. Denn wie Sie ja wissen, und wie viele Ihrer Kollegen, die heute Abend hier sind, auch wissen, pflegt die Deutschsprachige Gemeinschaft mit dem Konsularischen Corps, das in Lüttich akkreditiert ist, äußerst enge, freundschaftliche und vor allem nachhaltige Beziehungen, die u.a. auch bei den regelmäßigen Besuchen der Honorarkonsuln bei unserem Prinzenempfang zum Karneval hier stattfindet (ein bisschen billiger als die Kappensitzung in Brüssel), aber das ist ein sehr interessanter Anlass, sich auch menschlich näher zu kommen. Erlauben Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein letztes Wort zu Herrn Botschafter Bettzuege.
Lieber Prof. Bettzuege,
ich verrate kein Geheimnis, wenn ich heute Abend darauf hinweise, dass aufgrund der Regeln der diplomatischen Gepflogenheiten Ihre Zeit in Belgien sich langsam zu Ende neigt. Sie können, ich denke, mit Stolz auf eine erfolgreiche Zeit, auf ein erfolgreiches Wirken zurückblicken. Sie haben sich sowohl in Flandern, als auch in der Wallonie, in Brüssel und natürlich auch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft in vorbildlicher Weise in den letzten Jahren engagiert. Es ist manchmal sehr spektakulär, wenn es einem Botschafter gelingt, sehr schlechte Beziehungen zwischen zwei Staaten zu normalisieren. Es ist bedeutend unspektakulärer, aber wahrscheinlich noch sehr viel schwieriger, bei hervorragenden Beziehungen zwischen zwei Staaten noch eins drauf zu geben und diese noch zu verbessern. Gerade das ist Ihnen in überzeugender Art und Weise gelungen u.a. durch Ihr Engagement für die deutsche Sprache in Belgien, Ihrem Einsatz im kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bereich. Ich möchte Ihnen bereits jetzt dafür recht herzlich im Namen der Deutschsprachigen Gemeinschaft danken. Ich weiß, dass Sie Belgien noch etwas verbunden bleiben werden. Ich wage die Hoffnung auszudrücken, dass das auch ein wenig auf die Deutschsprachige Gemeinschaft noch „abfärbt“. Wir hoffen, dass wir auch in Zukunft mit Ihnen freundschaftlich und eng kooperieren können und ich wünsche Ihnen für die weitere Laufbahn alles Gute!
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und ich darf jetzt das Wort an Herrn Prof. Bettzuege weiterleiten.