Reden

Rede anlässlich der akademischen Sitzung zum fünfzigjährigen Jubiläum der landwirtschaftlichen Fachzeitung „ALCOVIT“


Rede von Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, anlässlich der akademischen Sitzung zum fünfzigjährigen Jubiläum der landwirtschaftlichen Fachzeitung „ALCOVIT“ mit vielen Bezügen zur Deutschsprachigen Gemeinschaft

Ettelbrück, 21. Mai 2011

Reden-2011-05-21 50 Jahre Alcovit (59.4 KiB)

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrter Herr Minister, lieber Romain,
Sehr geehrter Herr General,
Lieber Rudy Peters,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,

was macht eigentlich der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft hier heute Abend in Ettelbrück? Das ist zumindest erklärungsbedürftig. Zuerst einmal bei meiner Frau, die vielleicht meinte, ich könnte auch einmal einen Abend in der Woche zuhause bleiben, aber sicherlich auch für Sie, denn ich möchte nicht den falschen Eindruck erwecken, dass es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens am Samstagabend keine Feste zu feiern gäbe. Ich möchte vor allem nicht den falschen Eindruck erwecken, dass meine heutige Präsenz irgendetwas damit zu tun haben könnte, dass die deutschsprachigen Belgier bei einem Auseinanderbrechen Belgiens alle gerne nach Luxemburg kämen! Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt fünf brauchbare Gründe, die mich dazu bewogen haben, heute Abend hier zu Ihnen zu kommen.

Zuerst einmal die sehr nette Einladung… wenn ich vom Bruder des Geehrten, den ich schon seit vielen Jahren kenne, eingeladen werde, irgendwo hinzugehen, dann weiß ich, das machst du am besten, denn er lädt dich nur dahin ein, wo er es für wirklich sinnvoll hält.

50 Jahre feiern, ist ohnehin etwas Außergewöhnliches. Auch wenn ich es innerhalb von zwei Tagen zum zweiten Mal erleben darf, gestern hatten wir eine bedeutende Polsterfabrik in Eupen (die ROM AG), die ebenfalls 50 Jahre feierte, genau wie Alcovit heute hier…

Der zweite wichtige Grund ist natürlich: Rudy Peters. Rudy Peters hat eben gesagt, dass er 450 Ausgaben der Zeitschrift Alcovit verantwortet hat. Ich muss Ihnen ein Geständnis machen: Ich habe keine davon gelesen, aber dennoch weiß ich, wie wichtig, wie bedeutungsvoll das Wirken Rudy Peters hier in Luxemburg war. Rudy Peters ist ein Mensch, der in meiner Heimat, im Dorf Emmels, 1937 geboren wurde und dann für seine berufliche Laufbahn die kleine Deutschsprachige Gemeinschaft verlassen hat und nach Luxemburg gekommen ist. Er hat hier Hervorragendes geleistet; das haben Sie bereits gehört; das können die Luxemburger natürlich noch sehr viel besser bewerten, als jemand, der aus Eupen kommt. Eines kann ich als Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft hier schon sehr deutlich und auch aus Überzeugung sagen: Wir sind immer sehr froh und auch ein bisschen stolz darauf, wenn ein Sohn unserer Heimat über die DG-Grenzen hinaus Tolles leistet. Dass diese 50 Jahre Engagement etwas Tolles waren, das beweisen Sie nicht zuletzt alle, die Sie heute hierhin gekommen sind. So ist dann auch Rudy Peters – wie auch andere Menschen aus meiner Region – einer unserer Botschafter, auf die wir stolz sind und von denen wir wissen, dass sie Verbindungen schaffen, dass sie Kontakte knüpfen, dass sie –
auch wenn sie anderswo leben und arbeiten – nie ihre Heimat vergessen und jederzeit zu dieser und ihrer neuen Wahlheimat Beziehungen aufbauen. Im Falle von Rudy Peters hat das auch noch eine ganz besondere Bedeutung, die auch heute hier noch durch Ihre Tombola zum Ausdruck kommt, deren Erlös ja dem „Hof Peters“ im Emmels gewidmet ist.

Dieser Hof Peters ist eine begeisternde Geschichte. Es ist das Elternhaus der Söhne Peters, das einem wohltätigen Zweck zur Verfügung gestellt wurde, wo ein Sozialbetrieb für Menschen mit einer Behinderung aufgebaut wurde, der 1998 entstand und mittlerweile sich bereits in hervorragender Weise bewährt hat. Ich selbst hatte die Gelegenheit, damals als Minister für Behindertenangelegenheiten, bei der Geburt des Projektes, das ein richtiges „Risiko-Projekt“ war, dabei zu sein, mit daran zu wirken und ich freue mich, dass das so toll geworden ist und das ist natürlich zuallererst ein Verdienst der gesamten Familie Peters, der ich auch an dieser Stelle hier meinen allergrößten Dank dafür aussprechen möchte.

Dann gibt es noch einen vierten Grund… das ist die gute, die hervorragende, Nachbarschaft zwischen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und dem Großherzogtum Luxemburg, zumindest der Süden unserer Region hat auch von der Sprache her so einiges mit der Ihrigen gemeinsam. Beide Regionen sind sehr stark von der Landwirtschaft geprägt. Deshalb ist die landwirtschaftliche Fachmesse hier in Ettelbrück auch für viele Bauern aus meiner Heimat eine Angelegenheit, die sie sehr gut kennen – ein Pflichttermin – zu dem sie sehr gerne hinkommen. Es gibt insgesamt (zwischen Luxemburg und der Deutschsprachigen Gemeinschaft) viele konkrete Beziehungen, nicht zuletzt die über 3.200 Menschen, die jeden Tag als Grenzpendler aus Ostbelgien hier in Ihr Land kommen, spezieller in den Norden des Großherzogtums, wo auch eine ganze Reihe von Betrieben aus unserer Heimat eine Zweitniederlassung gegründet haben. Auch in die andere Richtung gibt es viele Kontakte: In unseren Sekundar- und Förderschulen, Internaten und auf unserer Hochschule gibt es eine ganze Reihe junger Menschen aus Luxemburg, die dort lernen und die dort sich auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten. Eines ist natürlich ganz groß im kommen und sehr beliebt: Das sind die Wochenendausflüge zum Einkaufen in Ihr schönes Land.

Ein letzter Grund… wenn ich dann noch einen bräuchte, wäre folgender, nämlich die Seelenverwandtschaft. Die Ostbelgier und die Luxemburger fühlen sich sehr nahe. Das kann vielleicht ein klein bisschen damit zu tun haben, dass wir alle nicht besonders groß sind, ich meine jetzt nicht jeden einzelnen, sondern Ihr Staat und unser kleines belgischen Bundesland. Luxemburg gehört zu den Kleinstaaten auf der Erde. Trotzdem wird Herr Juncker regelmäßig sehr ernsthaft in Peking empfangen und dort sagt der Staatspräsident ihm nicht, dass letztlich die luxemburgische Bevölkerung nur 0,0003% der chinesischen ausmacht, sondern er diskutiert ganz seriös und wie ich einmal erfahren habe, sogar auch über Import von luxemburgischen Wein. Mir sagte einmal ein luxemburgischer Kollege: Stelle dir einmal vor, wenn jeder Chinese jeden Tag ein Glas luxemburgischen Wein tränke, wie wir dann hier produzieren müssten!

Wir sind als Deutschsprachige Gemeinschaft in der zweiten Liga der staatlichen Strukturen (der Regionen mit Gesetzgebungshoheit, wie man das nennt) auch bei den Kleinsten. Wir sind die zwanzigkleinste Einheit dieser Art in der ganzen Welt: Acht Schweizer Kantone sind noch kleiner als wir und natürlich auch die beiden Landesteile des Staates Mikronesien, wie auch schon der Name es sagt. Also die Kleinen haben sicherlich vieles gemeinsam. Da gibt es eine Seelenverwandtschaft oder um es auf Englisch zu sagen: „Small is beautiful“. Auch den Kleinen kann man manchmal ganz große Dinge zutrauen.

Ein solches großes Ding ist natürlich das, was wir heute hier mit einem Jahrhundert „Alcovit“ feiern. Diejenigen, die meine Reden so vorbereiten dürfen oder müssen (je nachdem wie man das sieht), haben die Gewohnheit, immer danach zu forschen, ob es an dem jeweiligen Datum (heute: 21. Mai) irgendetwas in der Geschichte unserer Welt gegeben hat, was man mit dem heutigen Tag in Verbindung bringen könnte. Ich habe zwei Daten zur Auswahl.

Da ist zuerst einmal vor 324 Jahren, am 21. Mai 1687, ein Besuch des Französischen Königs, Louis XIV, zu vermelden, der zu einem fünftägigen Aufenthalt nach Luxemburg kam, nachdem die Spanier drei Jahre zuvor aus der Festung vertrieben worden waren und er sich einmal den Ausbau der Anlage anschauen wollte. Ich weiß aber nicht, ob das so ein nicht doch letztendlich mit den Haaren herbeigezogener Bezug zur heutigen Veranstaltung ist.

Da gibt es ein anderes Datum, das gefällt mir schon sehr viel besser. Das ist jetzt ganz genau 191 Jahre her: Am 21. Mai 1820 wurde Michael Lentz, das ist derjenige, der die luxemburgische Nationalhymne geschrieben hat, geboren. Diese Nationalhymne „Ons Heemecht“ wurde 1864 zum ersten Mal bei einer Veranstaltung des allgemeinen Luxemburger Musikvereins hier in Ettelbrück aufgeführt. Das wäre doch schon etwas… Wenn man sich den Text dieser Nationalhymne anschaut, findet man auch einen direkten Bezug zur Landwirtschaft und auf jeden Fall zum Weinbau. Da heißt es doch da so schön (ich hoffe, dass Sie jetzt nicht alle in Lachen ausbrechen, wenn ich versuche das auf Luxemburgisch zu sagen):

“Wou d’Rief laanscht d’Musel dofteg bléit,
den Himmel Wäin ons mecht:
Dat ass onst Land, fir dat mer géif
Heinidden alles won…”

Das ist doch, denke ich, ein guter Anlass, ein gutes Motiv, um heute Abend hier zu feiern (Applaus)… da geht es um Landwirtschaft, Wein und Musik… all die Zutaten, die man braucht, um einen schönen Abend gemeinsam zu verbringen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!