Reden

Rede anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten „50 Jahre“ ROM AG


Rede von Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten „50 Jahre“ ROM AG

Eupen, 20. Mai 2011

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Sehr geehrte Mitglieder des Verwaltungsrates,
der Direktion und des Personals der „ROM AG“,
liebe Familie Rom,
werte Festgäste,

50 Jahre sind… – da werde ich Ihnen sicherlich nichts Neues verraten – ziemlich genau ein halbes Jahrhundert. Vor 5 Jahrhunderten, am 20. Mai 1498, vor 513 Jahren, erreichte der portugiesische Entdecker Vasco da Gama Indien. Vasco da Gama, das war jener Seefahrer, der als erstes den Seeweg nach Indien fand. Wir können uns heute wohl kaum vorstellen, welch schwieriges Unterfangen das gewesen ist. Was hat ihn aber dazu bewegt? Nun, die Suche nach einem direkten Zugang zum begehrtesten Markt der damaligen Welt. Diese Welt war schon globalisiert. Es war die Zeit der Da Gama- und der Kolumbus-Mentalität. Sie wurde sehr stark beeinflusst durch wirtschaftliches Denken. Es war weit vor dem, was wir heute als Globalisierung kennen: Weltoffenheit.

Die Völkerverständigung entstand dabei nur als eine Art Nebenprodukt. Wenn wir etwas mehr in die Gegenwart schauen, werden wir feststellen, dass so ähnlich auch der sehr spannende Prozess der europäischen Integration verlaufen ist – der momentan vielleicht etwas ins Stocken geraten ist – aber zu dem es – genau so wenig wie zur vierten Region übrigens – keine Alternative gibt.

Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen: Was hat das alles mit dem Jubiläum der „ROM AG“ zu tun? Die Familie Rom, diese Unternehmerfamilie, ist ein sehr typisches Beispiel für jene vielen Unternehmerfamilien weltweit, die all diese Entwicklungen Jahrhunderte lang geprägt haben. Es ist unternehmerisches Wirken das diese Brücken über Staatsgrenzen und Kontinente schlägt, nicht erst seit einigen Jahrzehnten, sondern schon über ein halbes Jahrtausend.

Deshalb ist die Entwicklung des Betriebes Rom AG, von dem eben so anschaulich dargestellten Start zu dem heutigen weltweit operierenden und auch an drei anderen Standorten noch produzierenden Unternehmen etwas völlig Wichtiges, Normales, etwas, wofür man sich nicht zu entschuldigen braucht. Manchmal wird darüber diskutiert, wieso Arbeitsplätze aus unserer Region in andere Regionen verlagert werden. So ist es jedoch nicht, nein, es ist, wie Sie Frau Rom richtig sagten, die Voraussetzung dafür, um überhaupt überleben zu können.
Das ist etwas, was wir auch für unsere Region hier sehr dringend brauchen. Sie haben es geschafft, unter den Bedingungen, auf die Sie hingewiesen haben, die nicht immer einfach waren. Sie haben es geschafft, aus Ihrem kleinen verwirklichten Traum zu Beginn Ihrer Karriere, ein beachtliches Unternehmen mit 740 Mitarbeitern aufzubauen, das in vier Staaten der Welt (3 in Europa und 1 in Afrika) tätig ist. 1.500 Kunden dürfen Sie Ihr Eigen nennen (zwischen New York und Wladiwostok); 400 Kilometer Stoff werden bei Ihnen jährlich verarbeitet. Damit könnte man die Autobahn von Brüssel nach Frankfurt auslegen (ob einspurig oder zweispurig muss ich genau nachrechnen); jährlich verwenden Sie 264.000 Km2 Leder. Das ist mehr als nur das, was man sich vorstellt, wenn man einen Sessel sieht. Damit könnte man den Reichstag in Berlin, der ja vor einigen Jahren einmal von dem berühmten bulgarischen Künstler Christo verhüllt wurde, gleich zweieinhalb Mal einpacken; Sie produzieren – jetzt wird es sehr wichtig für unsere Heimat – jährlich die eben schon von Ihnen genannten 36.000 Polstergarnituren, das wäre eine Wiederholung, aber was Sie eben nicht gesagt haben, darauf könnte man dann zweieinhalb Mal die ostbelgische Bevölkerung Platz nehmen lassen. All das ist beeindruckend!

Noch beeindruckender ist natürlich die Lebensleistung, die hinter diesen Zahlen steckt.
Diese Lebensleistung hat etwas zu tun mit einem Familienunternehmen, das als solches begonnen wurde und das auch ein solches geblieben ist. Da wissen wir alle, dass der Übergang von der einen Generation zur anderen immer so ein bisschen vergleichbar ist mit dem, was man im Weltall sehen kann, wenn die Astronauten aus der Kapsel raus und sich ins Weltall begeben. Das ist immer ein Augenblick, der nicht ganz ungefährlich ist. Sie haben es mit der zweiten Generation geschafft. Ich weiß, dass Sie sicherlich genau wie diese zweite Generation dann auch wünschen, dass es auch irgendwann zu einer dritten und vierten kommt. Dieses Lebenswerk ist aber auch beispielhaft für das, was man erfolgreichen Unternehmensgeist nennen kann. Dazu gehört Risikobereitschaft. Das ist gar nicht so evident, eine liebgewonnene Fabrikationslinie fallen zu lassen und dann nur noch auf Polstermöbel zu setzen, auch wenn das in einem klugen Bericht stand. Das nennt man Risikobereitschaft. Sie haben auch bewiesen, dass Sie eine andere Dimension des Unternehmensgeistes virtuos beherrschen, nämlich die Anpassungsfähigkeit. Natürlich geht das Ganze nur, wenn auch ein gehöriges Maß an Kreativität dabei ist.

Beispielhaft ist das Ganze aber auch, weil all das, wie Sie es eben selbst sagten nur machbar ist, wenn das entsprechende Betriebsklima vorhanden ist. Da spielt der Chef an der Spitze eine große Rolle, aber alleine kann der überhaupt nichts. Alle müssen mitmachen. Sie sind auch, liebe Frau Rom, lieber Herr Rom, zu Recht dafür bekannt, dass Sie neben Ihrem unternehmerischen Wirken auch soziales und gesellschaftliches Engagement zeigen, nicht nur, aber auch in der so bedeutenden fünften Jahreszeit.

Schließlich haben Sie durch Ihr Wirken bewiesen, dass Sie Bereitschaft zur Kooperation und eine ständige Offenheit für Neues haben. All das ist wirklich beispielhaft. Beispielhaft für unsere ganze Region und wohl auch vorbildhaft für all jene, die hierzulande und auch anderswo unternehmerisch tätig werden wollen.

Sie sind auch, liebe Familie Rom, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein sehr hervorragender Botschafter der Deutschsprachigen Gemeinschaft, vielleicht nicht mit Diplomatenpass, das müsste man dann nochmals diskutieren. Wir haben ja schon einmal den Herrn Kroll mit einem gefälschten Pass ausgewiesen, wenn wir das allzu oft wiederholen besteht die Gefahr, dass wir rückfällig werden und das wird ja schlimmer bestraft als die Ersttat, aber Sie sind wirklich hervorragende Botschafter unserer Gemeinschaft. Das, was Sie tagtäglich mit Ihrem wirtschaftlichen Wirken und Ihrem gesellschaftlichen Engagement zeigen, das beweißt die Bereitschaft zur Öffnung und den Mut zur Bewältigung neuer Herausforderungen. Dazu braucht man Beispiele, Menschen, die zeigen wie es geht und die auch für eine ganze Region mit Stolz darauf hinweisen, dass Sie aus dieser Region kommen, aber durchaus gelernt haben, nicht immer nur da zu bleiben.

Das, was Sie in Ihrem Leben geleistet haben, kann man als eine gelungene Kombination aus realistischer Selbsteinschätzung und gesundem Selbstbewusstsein bezeichnen. Genau das ist das, was wir alle brauchen, wenn wir aus unserer Heimat, aus unserer Deutschsprachigen Gemeinschaft, das machen wollen, was sie aufgrund der Geschichte (Versailler Vertrag und Föderalisierung Belgiens) in den nächsten Monaten, Jahren und Jahrzehnten werden kann.

Dazu bedarf es ständiger Innovationsbereitschaft; dazu bedarf es der Öffnung; dazu bedarf es vor allem dessen, was Sie tagtäglich beweisen; es bedarf der gelungenen Kombination aus Weltoffenheit und regionaler Verankerung. Das gehört in Zeiten der Globalisierung dazu, das macht auch im Vergleich den Unterschied zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Regionen in Europa und auf der Welt aus.

Sie sind ein solches Beispiel. Deshalb freuen wir uns immer wieder, wenn wir auch Ihr Unternehmen bei Versuchen, die Deutschsprachige Gemeinschaft darzustellen und voranzubringen, als Beispiel zitieren und als Partner neben uns wissen können.

Wir wollen in den nächsten Jahren versuchen durch das Regionale Entwicklungskonzept noch zielstrebiger die Fortentwicklung unserer Region voranzutreiben. Darin kommt es auf vieles an, was mit dem zusammenhängt, was wir an Ihrer Leistung und an Ihrem Arbeiten so beispielhaft und vorbildhaft finden.

In der Einladung zur heutigen Veranstaltung steht: „Passion: Créer“. Sie erklären also die Kreativität zu Ihrer Leidenschaft. Das ist richtig. Das ist nämlich genau das, worauf es ankommt.

Liebe Familie Rom,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich möchte zum Abschluss meiner Rede Ihnen im Namen der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft gleichermaßen unseren Glückwunsch, Dank und unsere Anerkennung zum Ausdruck bringen.

Wir sind, wie viele hierzulande, stolz darauf, dass solche Unternehmen in unserer Region bestehen und sich weiterentwickeln und wir hoffen, dass bei dieser Weiterentwicklung die Deutschsprachige Gemeinschaft hin und wieder einmal ein Partner sein kann, der Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort schafft. Wir hoffen vor allem, dass Sie das als ein positives Element für Ihre Entwicklung und Ihre Arbeit erleben können. Wir bemühen uns.

Wir wünschen Ihnen heute sehr viel Erfolg für die Zukunft, für jene Zukunft, deren zweiter Teil ja heute beginnt, wenn Sie im Jahre 2061 „100 Jahre ROM AG“ feiern wollen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!