Reden

Reden anlässlich der Generalversammlung und Jahreshauptversammlung 2012 AGEG in Berlin


Reden von Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und Präsident der AGEG, anlässlich der Generalversammlung und Jahreshauptversammlung 2012 Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG)

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I. 8. November: Eröffnung der Generalversammlung

Liebe Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen,
Liebe Freundinnen und Freunde,

vor einem Jahr haben wir in Kursk unser 40jähriges Bestehen gefeiert. Es war eine beeindruckende Generalversammlung. An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei den Verantwortlichen vor Ort, dem Gouverneur sowie dem Vizegouverneur, der auch heute unter uns weilt, auf das Allerherzlichste für die Organisation und hervorragende Begleitung dieser Veranstaltung bedanken (Applaus).

Jetzt ist die AGEG ein Jahr älter… Was hat sich in diesem letzten Jahr alles ereignet? Darüber werden wir jetzt berichten, dazu haben Sie bereits Unterlagen erhalten und darüber möchte ich nun einleitend einige Gedanken vortragen. Wir haben im vergangenen Jahr eine ambitionierte Roadmap verabschiedet, mit der wir das nächste Jahrzehnt unserer AGEG-Arbeit gestalten möchten. Diese Roadmap zeigt uns den Weg, aber beschreiten müssen wir ihn selbst. Wenn ich sage selbst, meine ich auch selbst. Die AGEG ist eine kleine internationale Organisation. Sie kann Einiges leisten, aber sie kann nicht alles leisten. Der Erfolg der AGEG hängt entscheidend vom Engagement und der Mitarbeit ihrer Mitglieder ab. Wir sind auf einem guten Weg, aber wir werden sicherlich in Zukunft die engere Zusammen- und Mitarbeit aller noch verbessern müssen, wenn wir weiterhin die hohen Ansprüche erfüllen wollen, die andere und wir selbst an unserer Organisation stellen.
Wir müssen als AGEG unseren Platz in der Landschaft der europäischen Organisationen finden. Da ist Einiges in Bewegung. Da ist Zusammenarbeit angesagt. Ich sagte Zusammenarbeit, nicht Vereinnahmung! Enger zusammenzuarbeiten heißt, Möglichkeiten bündeln. Das heißt aber auch, die eigene Identität und vor allem die eigene Besonderheit bewahren. Für die AGEG ist das eigentlich sehr einfach. Unser Hauptthema war, ist und bleibt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Jeder der meint, das wäre ein Thema der Vergangenheit, der irrt. Je mehr Grenzen überwunden werden, je wichtiger wird es, diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu gestalten. Es gibt in Europa aber auch noch viele Stellen, wo Grenzen noch nicht überwunden sind und wo es schwierig bleibt, über Grenzen hinweg zu arbeiten. Gerade da ist unser Einsatz gefordert. Gerade da können wir die langjährigen Erfahrungen unserer Organisation sehr sinnvoll einbringen. Da können wir übrigens immer wieder Neues lernen, was uns dort hilft, wo schon lange Kooperation besteht. Es gibt keine Einbahnstraßen in der Zusammenarbeit zwischen alten und neuen Grenzregionen. Es gibt vielmehr einen sehr fruchtbaren Austausch, der zum Nutzen aller geschehen kann.

Wir haben im vergangenen Jahr den prinzipiellen Beschluss gefasst, unsere Tätigkeiten hier in Berlin anzusiedeln. Wir sind heute zum ersten Mal Gastgeber unserer eigenen Hauptversammlung. Normalerweise sind wir in einer Grenzregion zu Gast. Dieses Jahr sind wir hier in Berlin, wo wir einen wichtigen Teil unserer Tätigkeiten festigen wollen. Deshalb findet die diesjährige Generalversammlung in einem etwas ungewohnten Rahmen statt. In diesem Jahr fallen die Rahmenbedingungen etwas kleiner aus. Das ist so, wie wenn man zuhause ist. Das wird jedoch kein Verlust sein. In dieser wunderbaren Stadt gibt es Vieles, was es sich lohnt, etwas näher angeschaut zu werden und wo es Freude macht, hinzugehen. Das soll nicht die Regel werden, das ist und bleibt die Ausnahme. Wir werden im nächsten Jahr genau wie in den Jahren danach wieder irgendwo zu Gast sein.

Lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema „Umzug nach Berlin“ sagen. Das ist eine wichtige Entscheidung, aber eine, die mit Bedacht und Verstand umgesetzt werden muss, „step by step“ und „if possible“. Das „if possible“ übersetzt die EU oft in der deutschen Sprache mit „im Rahmen des Machbaren“. Man braucht kein Genie zu sein, um die Nuancen zwischen „im Rahmen des Machbaren“ und „if possible“ zu verstehen. Auf jeden Fall ist der Umzug eingeleitet.

Diesbezüglich möchte ich die Mitgliederversammlung kurz über den Stand der Dinge informieren. Die AGEG hat weiterhin ihren juristischen Sitz in Gronau. Der wird auch dort bleiben, was zur Folge hat, dass alle finanziellen Abwicklungen und juristischen Vorgänge dort weitergeführt werden wie bisher, in enger und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der Euregio. Dort arbeitet auch weiterhin ein Teil des Personals. Bislang besteht der Umzug nach Berlin vor allem in der definitiven Ansiedlung unseres Generalsekretärs in Berlin, wohin er mittlerweile mit seiner Familie umgezogen ist und von wo aus er einen Teil seiner Arbeit als Teleworking verrichtet, was übrigens nichts Neues ist. Für jemanden, der über 150 Tage im Jahr durch Europa reist, ist Telearbeit eigentlich etwas Alltägliches. Wir sind dabei, in Berlin Büroräume zu suchen, in denen Martin und einige Mitarbeiter – wahrscheinlich ein Assistent und gegebenenfalls Praktikanten – untergebracht werden. Noch haben wir keine Entscheidung gefällt, weil es zwei Möglichkeiten gibt. Entweder mieten wir in der Nähe zum Flughafen und Bahnhof Räumlichkeiten an oder wir finden in ähnlich guter Lage eine Einrichtung, bei der wir einziehen können und mit der wir im gegenseitigen Interesse und zum besseren Einbindung in das Berliner Leben eine inhaltliche Kooperation entfalten können. Das wäre eine wichtige Win-Win-Situation. Daran arbeiten wir zurzeit unter der sehr wichtigen Vorgabe, dass durch den Umzug keine Mehrkosten entstehen dürfen und dass all das, was jetzt als Sekretariat in Berlin angesiedelt wird, finanziell solide abgesichert ist. Solange die Parallelität zwischen Umzug und finanzieller Absicherung gewährleistet ist, können die Dinge so umgesetzt werden, wie wir sie prinzipiell beschlossen haben. Ich setze Ihre Zustimmung dafür voraus, dass wir nicht jedes Mal auf Vorstands- und Mitgliederversammlungen stundenlang über die diesbezüglichen Einzelheiten reden müssen, sondern dass wir eine Arbeitsgruppe, bestehend aus dem Schatzmeister, den Kontenkontrolleuren, der Vizepräsidentin und mir selbst, damit beauftragen, diese materiellen Modalitäten aufmerksam zu verfolgen und dafür zu sorgen, dass das alles so schnell wie möglich erledigt wird. Wir sind guter Hoffnung, dass wir im Laufe des kommenden Jahres definitive Lösungen finden werden.

Liebe Mitglieder der AGEG,

unsere diesjährige Jahreshauptversammlung steht im Zeichen von zwei inhaltlichen Themen. Das erste Thema wird bereits heute Nachmittag sehr aktuell werden. Die Zukunft der Kohäsionspolitik in der Europäischen Union ist ein sehr wichtiges Thema, das sich gerade für diejenigen, die in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit engagiert sind, schon fast von schicksalhafter Bedeutung erweist. Da muss man wissen, dass noch nichts definitiv klar ist. Sicherlich, uns sind die juristischen Rahmenbedingungen für die Strukturfonds in der nächsten Periode weitgehend bekannt. Wir haben mit Erfolg versucht, Einfluss auszuüben auf das, was dort festgehalten wird. Die Endphase der Entscheidung steht jetzt im Dialog zwischen Kommission, Parlament und Ministerrat an. Was da noch alles entwickelt werden kann und soll, das wird sicherlich heute Nachmittag hier von sehr kompetenten Persönlichkeiten dargestellt und mit uns allen diskutiert werden.

Fundamental ist jedoch eine ganz andere Frage, die sich in den letzten Tagen sogar ziemlich dramatisiert hat. Ich glaube, dass das noch eine sehr vorsichtige Formulierung für die möglichen Auswirkungen der Entscheidungen in Britischen Parlament ist. So lange die mittelfristigen Finanzperspektiven der EU nicht klar sind, ist auch nicht abgesichert, wie viele Mittel für die Kohäsionspolitik zur Verfügung stehen. Und folglich ist auch nicht klar, welcher Anteil dieser Mittel der territorialen Kohäsionspolitik gewidmet wird. Das ist die entscheidende Frage, auch wenn es da „nur“ um ein Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes geht und davon 100 Milliarden Euro für die gesamte Periode 2014-2020 zur Debatte stehen. Aber es sind gerade diese Mittel, die sehr wahrscheinlich voll oder zumindest zum größten Teil über die Zukunft der Kohäsionspolitik entscheiden. Also müssen wir sehr wachsam sein und unseren Einfluss in unseren Ländern und auf europäischer Ebene einsetzen, um Entscheidungen herbeizuführen, die in die Richtung gehen, die wir uns als entschiedene Verfechter der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wünschen.

Das zweite Thema, das im Mittelpunkt unserer diesjährigen Hauptversammlung steht, ist ebenfalls von großer Bedeutung: Der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt. Das ist eines der zentralen Elemente der europäischen Integration. Gerade auf diesem Gebiet wird besonders deutlich, wie komplex die Probleme sind. An einer Seite der Grenze leben und an der anderen Seite arbeiten, ist überall in Europa – an den Außengrenzen ebenso wie an den neuen Binnengrenzen und den alten Binnengrenzen, bei denen diese Grenzgängertätigkeit besonders relevant sind – eine äußerst komplexe Angelegenheit, die vielen Menschen tagtäglich Probleme bereitet. An der Lösung dieser Probleme kann man deutlich machen, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit einen konkreten Mehrwert für die Menschen vor Ort hat. Mit diesem Thema haben wir ein sehr wichtiges Thema auf unserer Tagesordnung, das die AGEG sicherlich auch in den nächsten Jahren beschäftigen wird.

Wir werden auch darüber zu befinden haben, welche anderen Themen wir in den kommenden Jahren schwerpunktmäßig bearbeiten. Unsere Arbeitsgruppen haben uns Erfolge gebracht in Themen wie z.B. grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung, Sprachenkompetenz und Zusammenarbeit an den Außengrenzen. In diesem Jahr möchten wir noch zwei wichtige Themen hinzufügen: Grenzüberschreitende Wasserproblematik und grenzüberschreitende Kulturarbeit. Parallel zur Hauptversammlung findet in einem anderen Raum, hier auf der gleichen Etage, ein erstes Treffen von europäischen Kulturhauptstädten statt, die in ihrer Bewerbung – egal ob sie erfolgreich waren oder nicht – den grenzüberschreitenden Aspekt der Kulturarbeit in den Vordergrund gestellt haben. Das ist alles andere als selbstverständlich und leicht, aber das ist wichtig. In Sachen „Europäische Kulturhauptstadt“ stehen neue Entscheidungen auf europäischer Ebene an. Der Ausschuss der Regionen bereitet dazu zurzeit eine Stellungnahme vor, die auf der nächsten Plenarsitzung im November verabschiedet wird. In diesem Dokument ist ein besonderer Hinweis auf diese grenzüberschreitenden Bewerbungen enthalten. Ich persönlich fände es sehr sinnvoll und interessant, wenn wir – ähnlich wie bei der Gesundheitsversorgung – auch in diesem Bereich, in Kooperation mit Partnern, innerhalb einer AGEG-Task force ein Thema anpacken und weiterentwickeln könnten, das hervorragend zu unserer eigenen Zielsetzung passt und das konkret deutlich macht, wo der Mehrwert der vernetzten Arbeit innerhalb der AGEG liegt.

All das sind Anliegen, die uns in diesen beiden Tagen hier in Berlin beschäftigen werden. Ich hoffe, dass wir zu guten Ergebnissen kommen werden. Genau wie meine Kolleginnen und Kollegen im Vorstand freue ich mich ganz besonders über die rege Teilnahme in diesem Jahr. Möge am Ende unserer beiden Tage ein gutes Ergebnis vorliegen und die Erkenntnis, sowohl auf Ebene des Verstandes als auch der Herzen und Gefühle, dass es wieder einmal sehr schön und nützlich war, an einer Hauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen teilgenommen zu haben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

II 9. November: Eröffnung der Jahreskonferenz

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Liebe Mitglieder und Freunde der AGEG,

ich möchte Sie alle heute Morgen hier, am zweiten Tag unseres Treffens, zu Beginn unserer Jahreskonferenz auf das Herzlichste willkommen heißen.

An 9. Novembern ist in Deutschland oft Geschichte geschrieben worden. Wir wollen uns sicherlich nicht mit unserer Konferenz in diese große Reihe historischer Ereignisse einordnen. Dennoch ist es für die AGEG eine Weltpremiere. Es ist das erste Mal, dass wir die Jahreskonferenz hier in Berlin abhalten. Wir sind dabei, den Schwerpunkt unserer Geschäftstätigkeiten nach Berlin zu verlegen. Nun ist Berlin keine Grenzregion, es sei denn, man will die Bedeutung der Grenze zwischen Berlin und Brandenburg etwas hervorheben, aber das ist wieder ein anderes Thema, über das ich öffentlich nur noch mit großer Vorsicht rede, nachdem ich vor etlichen Jahren am Tag der Volksabstimmung in Eisenhüttenstadt dabei war, als die Ehe zwischen Berlin und Brandenburg nicht so zustande kam, wie sie sich viele gewünscht hatten.

Wir haben als AGEG den Schwerpunkt unserer operationellen Tätigkeiten vor allem deshalb nach Berlin verlegt, weil Berlin für den europäischen Bereich, den wir abzudecken versuchen, sehr zentral liegt und wir ein Zeichen setzen wollten, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit natürlich auch, aber nicht nur und ausschließlich eine Frage der Europäischen Union ist. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist auch ein wichtiges Thema für die 47 Mitgliedstaaten des Europarates. Es gibt viele Stellen auf unserem Kontinent, wo grenzüberschreitende Zusammenarbeit die Menschen und Einrichtungen vor große Herausforderungen stellt.

Unsere diesjährige Jahreskonferenz beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich des Arbeitsmarktes. Ich glaube, dass es nur wenige Themen gibt, wo man die Existenz der Grenzen so deutlich, so hautnah und so existenziell erleben kann, wie beim Arbeitsmarkt. Egal um welche Grenze es sich handelt: Wer an der einen Seite einer Grenze lebt und an der anderen Seite arbeitet, muss wissen, dass sich daraus für ihn Probleme, Schwierigkeiten, – nennen wir es optimistischer Herausforderungen ergeben werden. Und zwar eine Reihe von Herausforderungen, von denen die einen unmittelbar sichtbar sind und die anderen sehr oft viel versteckter auftreten. Sie werden erst dann bewusst wahrgenommen, wenn ein richtiges Problem entstanden ist. Das gilt sowohl für die Situation von jemanden, der an einer Seite der Grenze lebt und ohne Hindernisse jenseits der Grenze arbeiten gehen kann, als für jemanden, der jeden Tag noch Grenzkontrollen über sich ergehen lassen muss oder sogar neben der Arbeitsgenehmigung noch eine Aufenthaltsgenehmigung braucht, um auf der anderen Seite der Grenze berufstätig zu sein. Insbesondere an den alten EU-Binnengrenzen, wo seit 20 Jahren die Grenzen nicht mehr so sind wie früher und wo man problemlos über die Grenze gehen kann, führt jeder Schritt über die Grenze – und den machen ja Grenzgänger normalerweise jeden Tag – in eine andere nationale Rechtsordnung, deren Besonderheiten trotz EU-Recht weiterbestehen. Übrigens bin ich mir nicht sicher, ob eine totale europäische Harmonisierung überhaupt wünschenswert ist. Wegen der großen Unterschiede, etwa zwischen den Niederlanden, Deutschland und Belgien – um von der Region zu reden, aus der ich stamme –, stoßen Grenzgänger immer wieder auf Inkompatibilitäten. Mit den sich daraus ergebenden Herausforderungen wollen wir uns heute hier etwas intensiver beschäftigen. Mit diesem Thema hat sich die AGEG in den letzten Jahren im Rahmen eines EU-Projektes, sehr konkret beschäftigt und werden wir uns zweifellos auch in Zukunft noch weiterhin lösungsorientiert zu befassen haben.

Ich freue mich, dass wir heute, während der ersten Hälfte unserer Tagung, dieses Thema aus vielen Blickwinkeln heraus behandeln können. Ich möchte nun vier Persönlichkeiten das Wort erteilen, die ein Grußwort sprechen werden:

  • Herrn Uwe Schulz-Hofen, Leiter des Referats Arbeitsmarkt und Berufsbildungspolitik in der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen;
  • Herrn Henning Heidemanns, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg;
  • Frau Natalia Romanova, Vorsitzende der Kammer der Regionen im Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates sowie
  • Herrn Walter Deffaa, Generaldirektor der DG REGIO in der Europäische Kommission, mit dem wir uns gestern schon sehr intensiv über die Perspektiven der Strukturfonds und der Kohäsionspolitik in den kommenden Jahren unterhalten konnten.

Ich hoffe, dass wir einen interessanten, inhaltsreichen und von vielen Austauschmöglichkeiten geprägten Tag erleben werden und möchte nun unmittelbar das Wort an Herrn Uwe Schulz-Hofen weiterleiten.

Vielen Dank!

III. 9. November: Schlussworte des Präsidenten

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Meine Damen und Herren,

Wir sind am Schluss unserer diesjährigen Tagung angelangt und haben sicherlich erneut – wie schon so oft – erlebt, dass der Puls Europas in den Grenzregionen besonders deutlich zu spüren ist. Das war vorhin eine beeindruckende Liste von Projekte, die ihren Beitrag zum diesjährigen „Sail of Papenburg“ geleistet hat. Hinter jedem dieser 15 Projekte stand konkrete, messbare, fassbare, spürbare grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Wenn man sich die Landkarte anschaut, die hier steht und die Sie diesmal auch in einem größeren Format mit nachhause nehmen können, wird deutlich, wie intensiv sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mittlerweile über ganz Europa ausgebreitet hat. Wer den vielen Beiträgen während der beiden letzten Tage zugehört hat, konnte deutlich feststellen, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit ein wichtiges Thema für Europa ist. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist keineswegs ein Thema der Vergangenheit, sondern eine der großen Herausforderungen für die zukünftige Entwicklung in Europa.

Im Jahre 1 nach unserem 40jährigen Jubiläum haben wir uns hier in Berlin versammelt, um deutlich zu machen, dass wir dabei sind, unseren operationellen Sitz hier in Berlin zu festigen. In diesem Jahr gab es keinen Gastgeber, wir haben uns selbst eingeladen. Im kommenden Jahr ist die Euregio Maas-Rhein der Gastgeber. Da ich diese Region ein wenig kenne, glaube ich, dass wir uns durchaus darauf freuen können, im Herbst nächsten Jahres im Dreiländereck zwischen Belgien, Deutschland und der Niederlanden zusammenzukommen.

Im Mittelpunkt der Arbeit stand in diesem Jahr der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt. Dazu haben wir eine Erklärung verfasst. Dazu haben wir viele konkrete Beispiele vorgestellt und eine Reihe von Überlegungen ausgetauscht. Am Schluss dieser Tagung kann niemand behaupten, nun seien alle Probleme des grenzüberschreitenden Arbeitens gelöst. Ganz im Gegenteil! Diese Probleme sind wahrscheinlich nach der heutigen Tagung noch deutlicher als davor. Es bleibt in den nächsten Jahren noch eine gewaltige Arbeit zu leisten, wenn man wirklich das Leben an der einen und das Arbeiten an der anderen Seite einer Grenze zu etwas machen will, was ohne Schwierigkeiten stattfinden kann und was Europa auf eine existenzielle Art und Weise zusammenwachsen lässt. Gerade in diesem Bereich sind die Erfahrungen in Europa sehr unterschiedlich. Wir haben Grenzen, wo schon eine intensive Grenzgängertätigkeit herrscht. Wir haben andere Grenzen, wo man dabei ist, diese Tätigkeiten hochzufahren, und es gibt noch andere Grenzen, wo es äußerst schwierig ist, die Grenze in Sachen Beschäftigung zu überwinden. All das sind verschiedene Situationen, die eine Reihe von Gemeinsamkeiten haben und anhand derer vor allem sehr deutlich gemacht werden kann, wie die Einen von den Erfahrungen der Anderen lernen können und wie man durch Austausch und Zusammenarbeit und durch Auswerten von Best Practices gute und für die Menschen brauchbare Lösungen finden kann.

Unsere Jahreshauptversammlung fiel zusammen mit dem, was man wohl ohne Zweifel die Stunde der Wahrheit für die Zukunft der Kohäsionspolitik nennen darf. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten sehen, ob die Kohäsionspolitik auf einer soliden Grundlage und mit den nötigen Finanzen in die nächste Planungsphase einsteigen kann. Da ist schon wahnsinnig viel Arbeit geleistet worden. Die AGEG hat sich sehr zielstrebig und ergebnisorientiert eingebracht. Wir haben uns alle darüber gefreut, dass diese Arbeit von amtlicher Stelle hier mehrmals bewertet und gewürdigt worden ist. Da bleibt aber noch weitere Arbeit zu tun, sowohl mit der Kommission, als auch mit dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat, d.h. mit unseren eigenen Regierungen. In unseren eigenen Staaten müssen noch weitere Diskussionen stattfinden, damit wir in der letzten Phase der Formulierung dieser Texte all das geklärt bekommen, was wir noch verbessern möchten.

Wir sind damit einverstanden, dass europäische Förderung in der territorialen Zusammenarbeit den Mehrwert deutlich machen muss, der dank dieser Förderung entsteht. Die Frage ist immer wieder: Wie messe ich den Mehrwert? Ist der Mehrwert etwas, was einer theoretischen Wunschvorstellung im Kopf eines europäischen Beamten zu entsprechen hat, der beschlossen hat, was in Zukunft in Europa geschehen soll oder ist der zu messenden Mehrwert nicht eher der, der konkret vor Ort entstehen muss? Nicht im Vergleich zu irgendeiner theoretischen Vorgabe, sondern zum Ist-Zustand in der konkreten Grenzregion, wo man sich gerade befindet und wo man sieben Jahre lang Fortschritte erzielen will. So verstandener Mehrwert ist etwas, was wir sicherlich selbst, auch selbstkritisch, als Anforderung an unsere Projekte stellen müssen. Es muss dieser Realitätsbezug sein, der im Mittelpunkt steht und nicht irgendein abstraktes auch noch so intelligentes Denkgebäude.

Administrative Verbesserung und Vereinfachung sind nötig. Das wissen wir alle. Das kennen wir alle aus unserer tagtäglichen Praxis. Ich hoffe, dass wir diesbezüglich eine Zeitenwende erleben werden. Bisher ist bei jeder neuen Programmierungsphase von administrativer Vereinfachung gesprochen worden und am Ende wurde alles nur noch komplizierter. Vielleicht schafft die EU diesmal wirklich, auf Vereinfachungen hinzuarbeiten. Da warten wir mit Spannung auf die definitiven Texte und Vereinbarungen.

Wenn schon die Stunde der Wahrheit für die Kohäsionspolitik geschlagen hat, dann glaube ich auch, dass wir uns heute hier nicht voneinander verabschieden können, ohne uns noch einmal darauf zu besinnen, dass Europa insgesamt am Scheideweg steht. Als AGEG arbeiten wir vor allem aus dem Blickwinkel der Grenzregion an der europäischen Zukunft. Die Grenzregionen sind eine besonders sensible und interessante Dimension der europäischen Integration. An den Grenzregionen kann man am ehesten feststellen, ob Vorhaben Erfolg hatten oder gescheitert sind. Europa hängt jedoch nicht nur von den Grenzregionen ab. Europa muss insgesamt wieder in die richtige Spur kommen. Wenn das nicht gelingt, sind auch die Grenzregionen nicht mehr in der Lage, Europa zu retten.

Wenn ich hier von Europa spreche, denke ich gleichermaßen an die Europäische Union und an den Europarat. In der Europäischen Union haben wir eine Menge konkreter Probleme, die eng damit zusammenhängen, dass die Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise deutlich gemacht hat, dass der Prozess der europäischen Integration auf halbem Wege stecken geblieben ist. Wir werden die Probleme nur lösen können, wenn es europaweit eine bessere gemeinsame Politikgestaltung gibt. Neben den Entwicklungen in der Europäischen Union ist aber auch das von Bedeutung, was in der kontinentalen Dimension Europas passiert, worauf der Europarat einen noch viel umfangreicheren Blick vermitteln kann. Auch da schlägt die Krise zu und wir stellen fest, dass es gerade die Gebietskörperschaften, die Regionen und die Kommunen sind, die am ehesten verletzbar werden, wenn sich plötzlich weniger Geld in den Kassen der Staaten befindet. Dann gilt das Prinzip „Den Letzten beißen die Hunde“. Man wird noch mehr als in der Vergangenheit immer wieder neue Aufgaben auf die Gebietskörperschaften verlagern und ihnen die dafür notwendigen Mittel vorenthalten. Diese Entwicklung sehen wir überall in den 47 Mitgliedsstaaten des Europarates. Deshalb ist gerade im Kongress der Regionen und Gemeinden beim Europarat eine wichtige Arbeit zum Erhalt, zur Stärkung und zum weiteren Ausbau der lokalen und regionalen Autonomie zu leisten. Das hat sehr viel mit den Rahmenbedingungen zu tun, die wir als europäische Vereinigung der Grenzregionen brauchen, um an diesen sensiblen Nahtstellen Europas erfolgreich wirken zu können.

Die Grenzregionen sind in vielfacher Hinsicht gleichzeitig Labor und Motor der europäischen Entwicklung. Die Rolle als Labor macht uns manchmal zu Versuchskaninchen Europas. Ich fühle mich dabei nicht immer wohl. Die Existenz als Versuchskaninchen ist nicht unbedingt eine erstrebenswerte Perspektive, aber es ist halt eben so, dass die Dinge an den Grenzen besonders direkt, besonders eindeutig und manchmal auch krass geschehen. Die Rolle als Motor ist vielleicht schon etwas erbaulicher. Wir können aus den Grenzregionen heraus, wo wir die Notwendigkeit der Zusammenarbeit am ehesten erkennen, einen nachvollziehbaren Beitrag zum Entstehen einer so notwendigen, aber augenblicklich nur sehr begrenzt vorhandenen Europabegeisterung leisten. Da erwartet uns eine große Aufgabe. Da können wir als AGEG und als Mitgliedsorganisationen der AGEG wertvolle Arbeit leisten.

In den kommenden Jahren steht uns einiges bevor. Ich denke da an Themen wie die Gesundheitsfürsorge, wo wir in den letzten Jahren tolle Arbeit geleistet haben; ich denke an Herausforderungen wie den Arbeitsmarkt und das Bildungswesen – beides hängt sehr eng zusammen – wo schon vieles gemacht wurde und wo noch Vieles zu tun bleibt; ich denke an die Verkehrsnetze, an die Wasserwege und an alle weiteren infrastrukturellen Voraussetzungen für bessere Verbindungen in Europa; ich denke auch an die Task-Force, die wir an diesen beiden Tagen gegründet haben und die heute Mittag hier vorgestellt wurde: Die Task Force Kultur.

Ich nehme an, dass Sie vorhin bereits gehört haben, dass sich heute der 125. Geburtstag von Jean Monnet jährt. Jean Monnet hat einmal gesagt: „Wenn ich noch einmal anfangen müsste mit Europa, dann würde ich mit der Kultur anfangen.“ Der 9. November ist ein sehr schöner Tag, um als AGEG zu beschließen, dass wir uns diesem Thema in Zukunft verstärkt widmen wollen. Die Ergebnisse des gestrigen Workshops haben mich sehr beeindruckt und münden in eine klare Linie: Kultur verbindet, Kultur bereichert, Kultur ist etwas, was Menschen sehr stark mit Gefühl und Verstand zusammenbringen kann. Das Ziel kann nicht sein, eine gemeinsame europäische Identität auf einer vereinheitlichten Kultur aufzubauen und dann unsere nationalen und regionalen Verankerungen nach und nach abzubauen. Das ist nicht der Ansatz, den wir entwickeln sollten. Der richtige Ansatz ist ein völlig anderer, der übrigens im Lissabon-Vertrag festgehalten ist: die kulturelle Vielfalt als Reichtum und Alleinstellungsmerkmal Europas. Die europäische Identität besteht nicht darin, den kleinsten gemeinsamen Nenner europaweit auszubreiten und auf alles andere zu verzichten. Die Herausforderung besteht meines Erachtens vielmehr darin, die kulturelle Vielfalt als den eigentlichen Inhalt der europäischen Identität zu begreifen. Dabei kann sich jeder gleichermaßen mit seiner eigenen sprachlichen, kulturellen und regionalen Verankerung sowie mit der Bereitschaft einbringen, mit anderen in Kontakt zu treten und sich zu vernetzen. Und genau das sollten wir mit der Task-Force Kultur versuchen. Es steht also sehr viel und interessante Arbeit bevor.

Doch ehe wir uns an diese Arbeit geben, bleibt uns noch ein gemeinsames Essen. Von diesem Essen trennen uns jetzt nur noch die letzten Worte, die ich hier sagen möchte und die Worte des Dankes sind.

Ich möchte mich bei allen Mitgliedsorganisationen und Personen bedanken, die zwei Tage lang hier nach Berlin gekommen sind. Das war ein sehr starker Beweis der Zusammengehörigkeit innerhalb der AGEG. Ich bedanke mich bei allen Referentinnen und Referenten, die Beiträge zur Tagung geleistet haben. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen des Sekretariats, die diesmal doppelte Arbeit leisten mussten. Normalerweise teilen sich die gastgebende Organisation und unser Sekretariat die Vorbereitung und den Ablauf einer solchen Tagung. Diesmal haben unsere Mitarbeiterinnen alles alleine geschafft. Dafür sollten wir ihnen recht herzlich danken und einen Applaus spenden! (Applaus)

Unsere Dolmetscherinnen und Dolmetscher haben ebenfalls einen Applaus verdient. Sie haben dafür gesorgt, dass hier viele Sprachen gesprochen werden konnten und dass wir uns selbst dann verstanden haben, wenn nicht jeder jede gesprochene Sprache versteht. Auch das ist eine tolle Leistung und verdient einen Applaus! (Applaus)

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort des Dankes an zwei Mitkämpfer unserer Organisation richten, die in ihren bisherigen Funktionen nicht mehr dabei sein werden: Ich denke an Erik Jakobs, der gestern zu uns gesprochen hat, und an Harald Krebs, der heute hier ist. Beide haben in den letzten Jahren die Arbeit in unserer Organisation ganz entscheidend mitgestaltet. Ihnen gilt unser herzlicher Dank und auch ein kräftiger Applaus! (Applaus)

Der Worte sind nun genug gesprochen. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr in Lüttich. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen nun einen guten Appetit!