Reden

Dankesrede anlässlich der Verleihung der Auszeichnung „Kohlkönig 2012“


Dankesrede von Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, anlässlich der Verleihung der Auszeichnung „Kohlkönig 2012“, verliehen von Frau Staatsrätin Eva Quante-Brandt, im Rahmen des alljährlichen Kohl- und Pinkelessens in der Bremer Landesvertretung beim Bund

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Sehr geehrte Frau Staatsrätin,
Meine sehr verehrten Kohl- und Pinkelesserinnen und -esser,

ich möchte mit einem strafrechtlich nicht relevanten Geständnis anfangen. Erst Anfang d.J., genau am 12. März 2012, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Bremer Boden betreten. Ich habe 60 Jahre gebraucht, um endlich einmal den mir seit meiner Kindheit bekannten „Bremer Stadtmusikanten“ persönlich zu begegnen. Als ich dann am Rande des Bermuda-Dreiecks Bürgerschaft, Handelskammer und Rathaus stand und auf die Bremer Stadtmusikanten blickte, ging es mir genau so wie damals, als ich zum ersten Mal vor dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder stand: „Mensch, sind die aber viel kleiner, als sie im Fernsehen aussehen (Gelächter und Applaus)!

Auch wenn ich 60 Jahre dafür gebraucht habe, um zum ersten Mal nach Bremen zu kommen, habe ich mich direkt in diese Stadt verliebt! Ich habe dann meiner anderen Liebe, meiner Frau, unmittelbar nach meiner Rückkehr den Vorschlag unterbreitet, einmal dort privat ein Wochenende zu verbringen. Der Vorschlag wurde – wie man in Amtsdeutsch sagt – „zustimmend zur Kenntnis genommen“.

Und nun diese große Überraschung, als spät berufener Gast direkt, an vielen anderen möglichen Kandidatinnen und Kandidaten vorbei, auf den Thron gehievt zu werden! Damit hatte ich als Politiker, der nach 22 Jahren Amtszeit mit absoluter Sicherheit über mehr politische Lebenserfahrung als politische Lebenserwartung verfügt, nicht gerechnet.

Als Bürger Belgiens, als Bürger einer konstitutionellen Monarchie, wo die Königswürde an den Erstgeborenen übertragen wird, als Einwohner einer Region, wo man mit etwas Geschick und Glück ansonsten nur noch Schützenkönig werden kann, als ehemaliger Königlicher Vermittler in meinem Lande, ehrt mich diese Berufung außerordentlich. Sie bereitet mir große Freude. Womit habe ich mir diese Ehre verdient? Die Laudatio gibt dazu einige Aufschlüsse. Für den Rest muss bis ans Ende aller Zeiten wohl spekuliert werden.

Die Einwohner Bremens und Bremerhafens sowie die Einwohner der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens haben Einiges gemeinsam. Das fängt schon bei der Bezeichnung an. Wenn ich das Spielchen von vorhin hier wiederholte und fragte, dass alle aufstehen, die wissen, dass eine „Gemeinschaft“ nach belgischem Verfassungsrecht ein Bundesland ist, würden wahrscheinlich viele sitzen bleiben. Wenn ich irgendwo anders in Deutschland die Frage stellte, was eine Staatsrätin ist, bekäme ich sicherlich auch viele Fragezeichen als Antwort. Die Wenigsten würden darin eine Landesministerin erkennen. Wie dem auch sei… die Begriffe sind so, wie sie sind, und wir sind auch so, wie wir sind.

Wir sind die Kleinsten in unseren jeweiligen Staaten. Es wurde eben bereits gesagt. Ich darf das dann vielleicht noch präzisieren: Bremen ist flächenmäßig so klein, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens fast zweimal größer ist. Aber man muss immer im Gleichgewicht bleiben: Bremen hat zehnmal mehr Einwohner als die DG Belgiens. Des Weiteren üben die Mitglieder unserer Landesparlamente ihre Funktionen nebenberuflich aus. Sie werden nur teilweise für das bezahlt, was sie tun. So klein wir auch sein mögen: Wir haben zwei voneinander getrennte und nicht aneinander grenzende Landesteile wie Bremen und Bremerhaven. In meiner Heimat gibt es den Eifelkanton St. Vith und den Kanton Eupen, zwei verschiedene Welten, die sich erst nach dem Wiener Kongress zusammengefunden haben, weil sie Preußen angegliedert wurden.

Wir haben übrigens noch etwas gemeinsam: Das Rezept für erfolgreiches Regieren. Wir sind heimatverbunden und weltoffen, tief verwurzelt und vernetzt. Verankerung und Vernetzung, das sind eigentlich die beiden Ende derselben Wurst, Entschuldigung… derselben Pinkel! (Applaus).

A propos Pinkel. In Wikipedia steht, dass es sich um eine zusammengedrängte Masse oder um einen kurzen dicken Gegenstand handelt. Grünkohl ist etwas einfacher zu definieren. Ich möchte einen konstruktiven Beitrag zu dem machen, was eben hier zwischen den Zeilen durchklang. Wer hat eigentlich die Autorenrechte auf den Grünkohl? Die Niedersachsen oder die Bremen? Ich habe schon in Brüssel sowohl in der bremischen als auch in der niedersächsischen Vertretung an Grünkohl-Essen teilgenommen. Es gäbe eine einzige, aber mit Sicherheit nicht gewünschte Möglichkeit, diesen Konflikt aus der Welt zu schaffen. Sie bräuchten Ihre Länder nur zu fusionieren und als „Trostgeschenk“ für diese grausame Entscheidung – die Sie sich sicherlich ersparen werden – den Grünkohl als immaterielles Kulturerbe bei der UNESCO anzumelden, nachdem Deutschland diese internationale Konvention vor kurzem ratifiziert hat.

Bleiben wir ernsthaft. Lassen wir die Dinge so, wie sie sind. Auf jeden Fall ist die Kombination zwischen Grünkohl und Pinkel ein wahrhafter Genuss. Ein solcher Genuss trifft immer die Seele eines Belgiers, egal ob er deutschsprachig, niederländischsprachig oder französischsprachig ist. Wir sind immer dabei, wenn es ums gute Essen geht! Das haben wir von den Burgundern gelernt, die vor vielen Jahrhunderten die „Niederen Lande“ – wie wir damals noch alle hießen -, einten. Ob nun Molekularküche, Hausmannskost oder deftige Traditionsmahlzeit, wir halten es da wie die Bremer gerne mit Oscar Wilde: „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Ich bin immer mit dem Besten zufrieden!“.

Nun werde ich mich heute als „Kohlkönig“ in die illustere Reihe der Vorgänger einreihen dürfen. Genau wie sie verstehe ich diese Ehre als einen Auftrag, bei allen Gelegenheiten und Kontakten für Bremen zu werben und auf seine kulinarischen Traditionen hinzuweisen. Im Gegensatz zu meiner Vorgängerin, Prof. Lochte, werde ich allerdings nicht in die Antarktis reisen, sondern in den Gewässern bleiben, wo ich Fahrerfahrung habe, nämlich in den Regionen und Grenzregionen Europas.

Recht herzlichen Dank für diese ehrenvolle Auszeichnung. Ich wünsche uns allen noch einen angenehmen Abend. Ich kann für meine Person sagen: Es ist ein ganz toller Tag. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!